Handwerk: Behörden verstehen eigene Vergaberegeln nicht mehr
Das Handwerk in Niedersachsen übt scharfe Kritik an bürokratischen Auswüchsen bei Vergabeverfahren. „Man kann sich gar nicht mehr richtig freuen, wenn man die Zusagen für einen Auftrag der öffentlichen Hand bekommt. Denn es ist durchaus möglich, dass man den in vier Wochen nicht mehr hat. Man findet immer irgendeinen Fehler, einige haben sich inzwischen darauf sogar spezialisiert“, beklagt Mike Schneider, Präsident des Niedersächsischen Handwerkstages (NHT).
Deshalb gebe es keine Planungssicherheit mehr. NHT-Vizepräsident Karl-Wilhelm Steinmann erklärte, für Unternehmen, die viele private Aufträge hätten, seien Aufträge der öffentlichen Hand deshalb häufig schon gar nicht mehr attraktiv. „Die Behörden bekommen ihre eigene Bürokratie nicht mehr geregelt. Wir erleben täglich, dass sogar der Sachbearbeiter nicht genau Bescheid weiß.“ Die ausschreibende Stelle sei oftmals nicht in der Lage, die komplizierten Regeln in ihre Ausschreibung gesetzestreu einfließen zu lassen. Für den NHT ist es zwingend nötig, nach der Wahl in Niedersachsen Bürokratie abzubauen.
Die Behörden bekommen ihre eigene Bürokratie nicht mehr geregelt. Wir erleben täglich, dass sogar der Sachbearbeiter nicht genau Bescheid weiß
Dem Verband zufolge ist an vielen Orten auch die Internetanbindung nach wie vor unzureichend. Die Grundversorgung für die Digitalisierung müsse erst einmal geschaffen werden. Drei Viertel der Handwerksbetriebe seien nicht zufrieden mit ihrer Internetgeschwindigkeit, erklärte Schneider. „Wenn in diesen Handwerksbetrieben pro deshalb nur eine Stunde Arbeitszeit verloren geht, weil die Prozesse wegen Updates oder zu großen Datenmengen nicht laufen, dann entstehen im niedersächsischen Handwerk allein über 60 Millionen Euro nicht produktive Lohnkosten pro Jahr.“ Steinmann sagte, auf dem Land müsse man teilweise in die nächste Kreisstadt fahren, um sich für einen öffentlichen Auftrag die Ausschreibungsunterlagen herunterzuladen wollen, weil es im Dorf am Datenvolumen mangelt.
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Große Sorgen bereitet dem Handwerk die Zukunft der Ausbildung. „40 Prozent der Betriebe haben große Schwierigkeiten, Ausbildungsplätze zu besetzen. Bei 80 Prozent gehen die Bewerberzahlen zurück“, so Steinmann. Die berufliche Bildung verdiene mehr politische Aufmerksamkeit. „Wir brauchen eine Exzellenzinitiative für die berufliche Ausbildung. Der US-Präsident würde sagen „Duale Ausbildung first“, so NHT-Vizepräsident. Der Verband fordert deswegen eine umfassende und neutrale Berufsorientierung an allen Schulformen und eine finanzielle Gleichstellung der beruflichen mit der akademischen Bildung. Das Bildungswesen sei zu stark auf akademische Bildung ausgerichtet.
In den Positionen zu Landtagswahl fordert die Niedersächsische Handwerkstag einen Mittelstandsbeauftragten des Landes, der sich zum Beispiel um den Bürokratieabbau kümmern könnte. Darüber hinaus fordert der NHT, die Ausweitung der Tourismusabgabe wieder rückgängig zu machen. Dabei gehe es neben der Belastung für Unternehmen auch die Kosten für Bürokratie. So liege der bürokratische Aufwand für die die Verwaltung in Hannoversch Münden zum Beispiel bei 82.000 Euro.