„Macht, Zeit und Geld sind ungerecht verteilt“, sagt die Grünen-Landtagsabgeordnete Imke Byl. Zumindest, was die Macht angeht, wollen die Grünen jetzt nicht länger warten und fordern eine Enquetekommission, die ein niedersächsisches Paritätsgesetz erarbeiten soll. Voraussichtlich am kommenden Mittwoch soll im Landtag über einen entsprechende Antrag der Fraktion beraten werden.

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Es sei höchste Zeit, dass Parität in den Parlamenten einziehe, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Anja Piel. Nach 100 Jahren Frauenwahlrecht sei die Freiwilligkeit von Frauen in Parlamenten gescheitert. Mit dem Antrag wolle man im Landtag den Lackmustest machen, ob es den Verfechtern der Parität wirklich ernst sei. Damit zielt der Antrag vor allem auf Ministerpräsident Stephan Weil, Sozialministerin Carola Reimann und die SPD, die sich für die Parität stark gemacht hatten.

Mehr Frauen in den Parlamenten führen auch zu einer anderen Politik. Ohne gleichberechtigte Parlamente kann es keine gleichberechtigte Politik geben.

Piel warf der CDU vor, bei dem Thema noch Nachholbedarf zu haben. „Mit Grausen“ habe sie die Rede des neuen JU-Bundesvorsitzenden aus Niedersachsen, Tilman Kuban, verfolgt. Er hatte in Anspielung auf die sieben Kinder der Verteidigungsministerin gesagt, es könne nicht sein, dass Ursula von der Leyen mehr Kinder als funktionierende Flugzeuge habe. „Die CDU kann da noch an ihrer Performance arbeiten“, sagte Piel.

Imke Byl, Anja Piel und Helge Limburg bei der Pressekonferenz der Grünen-Fraktion – Foto: MB.

Für die Abgeordnete Imke Byl ist der aktuelle Zustand im Landtag nicht haltbar. Der Männer-Anteil liege bei mehr als 70 Prozent. „In den Kommunalparlamenten sieht es noch viel schlimmer aus“, so Byl. Hier liegt der Frauenanteil nicht einem bei einem Viertel der Abgeordneten. Das habe auch Auswirkungen auf die Politik. Mehr Frauen in den Parlamenten führten auch zu einer anderen Politik. Als Beispiele nannte sie den jahrelangen Kampf von Frauenhäusern um finanzielle Mittel sowie die Debatte um ein Werbeverbot für Abtreibungen. „Ohne gleichberechtigte Parlamente kann es keine gleichberechtigte Politik geben“, stellte Byl fest.

Sie wünscht sich bis zum Sommer 2020 ein Ergebnis der Enquetekommission, damit das geänderte Wahlgesetz schon bei der nächsten Landtagswahl angewendet werden könnte. „Wir haben derzeit eine Große Koalition mit einer großen Mehrheit, die für eine Wahlgesetzänderung ja auch nötig ist. Wenn sich der Ministerpräsident dann auch noch für ein Paritätsgesetz ausspricht, nehmen wir ihn an der Stelle beim Wort“, sagte Byl.

Brandenburger Modell reicht den Grünen nicht

Die von den Grünen geforderte Enquetekommission mit 25 Mitgliedern soll bis Ende Juli des kommenden Jahres Vorschläge für ein Gesetz auf den Tisch legen. Dazu soll unter anderem geklärt werden, welche Gesetze geändert werden müssten und ob grundsätzliche Änderungen am Wahlsystem nötig wären. Ziel sei ausdrücklich nicht, das Parlament zu vergrößern, machte Helge Limburg, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, deutlich. Das sei auch gar nicht notwendig. Auf ein konkretes Modell für ein Paritätsgesetz wollten sich die Grünen-Politiker am Mittwoch noch nicht festlegen.


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Niedersachsens Sozialministerin Carola Reimann hat eine Präferenz für die sogenannte Tandem-Lösung, für die allerdings die Wahlkreise vergrößert werden müssten. Bei diesem Modell würden pro Wahlkreis zwei Abgeordnete gewählt, jeweils eine Frau und ein Mann. Byl sagte, es wäre Aufgabe der Enquetekommission, ein passendes Modell zu erarbeiten. Ein sogenanntes Reißverschlussverfahren für die Landeslisten, wie es jetzt in Brandenburg Anwendung finden soll, reicht ihr allerdings nicht aus. „Für die kleinen Fraktionen würde das reichen, wegen der großen Parteien muss man sich aber auch die Wahlkreise anschauen.“