Er sei ja ein Optimist, sagte Helge Limburg, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Landtagsfraktion, gestern in der Plenarsitzung. Deshalb glaube er immer noch daran, dass SPD und CDU intensiv grübeln und am Ende dann den Vorschlag von Grünen und FDP zur Ergänzung der Landesverfassung befürworten werden. Im Ergebnis könnten die Hürden gesenkt werden – dann wäre statt eines Fünftels künftig ein Sechstel der Abgeordneten ausreichend, einen Untersuchungsausschuss einzurichten, ein Landesgesetz beim Staatsgerichtshof überprüfen zu lassen oder Einsicht in interne Regierungsakten zu beantragen. „Zugesagt haben es Stephan Weil und Bernd Althusmann ja. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass sie es tun werden.“

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Doch nach der gestrigen Debatte im Plenum sind die Aussichten eher schlecht. Der gelb-grüne Antrag fand neben den beiden Fraktionen noch bei der AfD Anklang. Das sind aber nur 32 der 137 Abgeordneten. Für eine Verfassungsänderung ist aber eine Zweidrittelmehrheit nötig, und SPD und CDU mit ihren 105 Mandaten zeigten sich unwillig, dem Ansinnen der Kleinen zu folgen. Sie wollen zwar auf Grüne und FDP zugehen, aber nur über eine freiwillige, am Ende unverbindliche Vereinbarung – „nach der Qualität eines Koalitionsvertrages“, wie CDU-Fraktionsgeschäftsführer Jens Nacke erklärte. Die Verfassung aber dürfe nicht „als Reaktion auf tagespolitische Ereignisse verändert werden“, ergänzte Wiard Siebels, Fraktionsgeschäftsführer der Sozialdemokraten.

Auf den Punkt brachte es hier wieder Nacke: „Wenn Grüne und FDP etwa einen Untersuchungsausschuss durchsetzen wollen, können sie es mit den Stimmen aller Oppositionsfraktionen, also auch denen der AfD. Ich habe großes Verständnis dafür, dass beide Fraktionen nicht mit der AfD zusammenarbeiten wollen. Aber sie können dann nicht erwarten, dass wir deshalb die Verfassung anpassen.“ Denn die Verfassung, betont der CDU-Mann, „darf nicht den Willen jeweils wechselnder Mehrheiten abbilden“, sie sei langfristig angelegt.

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Das führt nun zum Kern der Meinungsverschiedenheiten. Sowohl Stefan Birkner (FDP), der Grünen-Mann Limburg als auch AfD-Fraktionsgeschäftsführer Klaus Wichmann erklärten, die politischen Verhältnisse hätten sich in den vergangenen Jahren stark geändert. Das Parteiensystem sei „ausdifferenzierter“ oder auch „zersplitterter“. Es gebe kleinere Gruppen, außerdem werde die Kooperation zwischen den Fraktionen wegen gravierender Unterschiede schwieriger, fast unmöglich. Im Ergebnis könnten Oppositionsrechte nur wirksam genutzt werden, wenn die Hürden dafür nicht zu hoch gelegt sind.

In Niedersachsen sei das der Fall, wenn eine Abstimmung von FDP und Grünen genüge und nicht auch die AfD an den Tisch geholt werden müsse. „Die Demokratie ist nur so stark wie die Oppositionsrechte, die sie gewährt“, sagt Wichmann. „Die Existenz einer handlungsfähigen Opposition unterscheidet die Demokratie vom totalitären Staat“, meinte Limburg, eine frühere Rede Nackes zitierend. „Wer Oppositionsrechte stärkt, tut nicht der Opposition einen Gefallen, sondern dem parlamentarischen System“, ergänzte Birkner.

SPD und CDU bleiben unbeeindruckt

Für den FDP-Chef sind die Argumente von Sozial- und Christdemokraten gegen eine Verfassungsänderung im Übrigen „nur Nebelkerzen“. Angst vor einer Klageflut in Bückeburg bei abgesenkten Quoren müsse niemand haben, die Zahl der Verfahren vor dem Staatsgerichtshof sei bisher „sehr überschaubar“. Das gelte auch für die Sorge, nun plötzlich mit vielen Untersuchungsausschüssen überhäuft zu werden. In Wahrheit müsse doch jede Fraktion, die einen solchen Ausschuss beantragt, viel Fleiß, Arbeit und Kraft dafür investieren – und die Berechtigung werde spätestens von der kritischen Öffentlichkeit hinterfragt. Wenn eine Oppositionsfraktion ihre Aufklärungsrechte missbrauche oder übertreibe, mache sie sich rasch lächerlich. Das Risiko gehe doch keine politische Kraft ein.

Nacke und Siebels zeigten sich von den Argumenten wenig beeindruckt. Der CDU-Fraktionsgeschäftsführer wagte es auch, den Sinn der oppositionellen Rechte an sich teilweise in Frage zu stellen. So halte er von dem Vorschlag wenig, die Bedingungen für eine Normenkontrollklage beim Staatsgerichtshof wesentlich zu lockern. Solche Klagen sollten schon „etwas Besonderes sein und eine Ausnahme“.

Es sollten nämlich schon ganz erhebliche Gründe vorliegen, wenn man ein im Landtag beschlossenes Gesetz gerichtlich überprüfen lasse, denn der normale und übliche Weg der Auseinandersetzung darüber sei nun mal das Parlament und die inhaltliche Debatte dort. Die Gefahr bestehe, dass bei einer Erleichterung der Normenkontrollklage diese zu einem „politischen Kampfinstrument“ degradiert werde – und dies sei nicht im Sinne der Verfassungsordnung.

Kommt jetzt ein „Beistandspakt“?

Wie geht es nun weiter? SPD und CDU werden demnächst womöglich auf Grüne und FDP zugehen und ihnen einen Vertrag als eine Art „Beistandspakt“ anbieten. So sollen Akteneinsicht, Untersuchungsausschüsse und womöglich auch die Klagen in Bückeburg erleichtert werden – indem die Koalition dann im Bedarfsfall Grünen und FDP mit „Leihstimmen“ hilft.

Einklagbar wird dieser Vertrag nicht sein, verbindlich auch nicht, alles hängt von viel gutem Willen auf allen Seiten ab. Nacke betonte, dass es dann um die Stärkung der Oppositionsrechte gehe, um nichts sonst. „Einen parlamentarischen Welpenschutz für die kleinen Fraktionen garantieren wir nicht.“ (kw)