Die Globalisierung wird nach Ansicht des Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, künftig langsamer voranschreiten als in den vergangenen Jahrzehnten. „Die Politik muss jetzt aufpassen, dass es keinen Crash und keinen Rückschritt gibt“, sagte Fratzscher am Abend im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick am Rande des Herrenhäuser Wirtschaftsforums. Thema der Veranstaltung in Hannover mit rund 300 Gästen war die Zukunft der Globalisierung.

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Die Gesellschaft selbst werde es gar nicht so direkt spüren, wenn die Globalisierung ins Stocken gerate, meinte Fratzscher. Das werde erst langfristig durch geringere Steigerungen bei den Einkommen deutlich oder dadurch, dass gute Jobs ins Ausland abwandern. „Das ist ein gradueller Prozess und das ist natürlich gefährlich.“ Schließlich sei die Globalisierung die Grundlage unseres Wohlstands.

Es wird Fratzschers Meinung nach allerdings nicht funktionieren, die Mauern radikal wieder hochzuziehen. „Es gibt globale Absprachen und die Handelsvereinigung WTO. Es ist auch eine Illusion, zu glauben, bei hochgezogenen Grenzen kämen Jobs zurück. Das ist billiger Populismus“, warnte der DIW-Präsident. Die Politik in Teilen Europas und den USA versuche mit falschen Versprechen, die Globalisierung abzuschaffen und damit Stimmen zu gewinnen.

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Der ehemalige Mercedes Motorsport-Chef Norbert Haug sieht ebenfalls keine Alternative zur Globalisierung. Haug koordiniert inzwischen das Globalisierungsprogramm eines Unternehmens, das Fahrzeuge behindertengerecht umbaut. „Selbst wenn wir den hehren Wunsch hätten, alles abzugrenzen, weil früher alles so schön gewesen sei, wird das nicht gelingen. Das wird es nie mehr geben“, sagte Haug dem Rundblick. Man müsse allerdings hieb und stichfest über die Pluspunkte der Globalisierung informieren. Dabei solle man sich auf das Wesentliche konzentrieren, vieles sei oft zu kompliziert. Die Formel 1 sei ein Beispiel dafür, wie ein Produkt weltweit voranschreitet. „Auch hier ist es so: Wo Freihandel herrscht, tut man sich leichter, zum Beispiel mit der Ein- und Ausreise“, erklärte Haug. Der Motorsport sei allerdings nur ein sehr kleines Beispiel im Vergleich zu den Herausforderungen des globalen Marktes, räumte Haug ein.

Herrenhäuser Wirtschaftsforum 2016 in Hannover - Foto: MB.

Herrenhäuser Wirtschaftsforum 2016 in Hannover – Foto: MB.

Der Vize-Präsident des EU-Parlaments Alexander Graf Lambsdorff (FDP) sagte, die Politik brauche Ehrlichkeit, Entschlossenheit und Emotion. „Wir brauchen die Ehrlichkeit, zu sagen, Globalisierung ist ein unglaublicher Wohlstandsmotor, aber dadurch bricht in der Gesellschaft nicht automatisch die Gerechtigkeit aus. Wir müssen Globalisierung so gestalten, dass keine Bevölkerungsgruppen abgehängt werden“, forderte Lambsdorff. „Die Politik müsse auch ehrlich sagen, dass sie nicht immer einfache, schnelle und billige Lösungen liefern könne. Das machen nur die Populisten.“ Zugleich müsse die gesamte demokratische Mitte entschlossen gegen die Populisten von links und rechts „anarbeiten“ und die Werte der Marktwirtschaft und Demokratie gegen Angriffe verteidigen. Und man könne auch emotional argumentieren. „Wenn wir Wachstum haben, dann haben Menschen im krisengeschüttelten Südeuropa auch wieder eine Perspektive für ihr Leben“, erklärte Lambsdorff.

Niedersachsenmetall-Hauptgeschäftsführer Volker Schmidt sagte in seiner Rede, Politik müsse führen und von festen Grundsätzen geprägt sein. „Und sie darf nicht beliebig wirken und schon gar nicht so sein.“ Schmidt kritisierte scharf die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank als „reine Symptomkur“. Sie löse kein einziges Strukturproblem in Europa und werfe eherne, bewährte Grundsätze über Bord. Wenn sich Ökonomen schon darüber wunderten, wie solle da noch der vielbeschworene „kleine Mann“ Verständnis dafür aufbringen, fragte Schmidt.