Darum geht es: Im VW-Dieselskandal weist Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil Vorwürfe des früheren Aufsichtsratschefs Ferdinand Piëch scharf zurück. Die Opposition im Landtag fordert Aufklärung. Ein Kommentar von Martin Brüning:

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Mit den Berichten über seine Aussage vor der Staatsanwaltschaft Braunschweig hat Firmenpatriarch Ferdinand Piëch im VW-Dieselgate noch einmal eine Lunte angezündet, bei der nicht erkennbar ist, was an deren Ende passieren wird. In diesem Wirtschaftsskandal geht es für einige Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats um viel Geld, um die Reputation oder um die politische Karriere. Im Kern des aktuellen Geschehens stehen drei Fragen, auf die Antworten gefunden werden müssen.

Wie glaubwürdig sind die Aussagen? Ferdinand Piëch hat mit seiner Aussage nicht nur den ehemaligen Vorstandschef Martin Winterkorn und die Mitglieder des Präsidiums belastet, sondern auch sich selbst. Denn wenn Piëch bereits Ende Februar Hinweise auf den Abgasbetrug hatte, stellt sich durchaus die Frage, ob er damals seine Pflichten als Aufsichtsratschef erfüllt hat oder ob er in die Haftung genommen werden muss. Die Verteidigung des Präsidiums bezieht sich wiederum auf die Ermittlungen einer US-Kanzlei, die im Auftrag von Volkswagen gehandelt hat. Alle Mitglieder des Aufsichtsratspräsidiums hätten „unabhängig voneinander alle Behauptungen von Ferdinand Piëch klar und nachdrücklich als falsch zurückgewiesen“, heißt es in einer VW-Mitteilung. Kann sein, kann aber auch nicht sein. Wie genau dort geprüft und gegengecheckt wurde, kann von außen nicht beurteilt werden. Wer also Interesse an einer gründlichen Aufklärung hat, sollte das Ergebnis der Kanzlei veröffentlichen.

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Was passierte in Salzburg? Am 16. April 2015 traf sich das Präsidium des Aufsichtsrats in Salzburg, mit von der Partie war auch VW-Vorstandschef Martin Winterkorn. Von einem Showdown im Konzern war damals die Rede. Schon damals war bekannt, dass es dabei auch um die VW-Situation in den USA ging. Vor allem das lahmende Geschäft in den USA habe Piëch in Rage gebracht, hieß es in Medienberichten. Mit den Kenntnissen von heute wäre es nicht unwahrscheinlich, dass es gar nicht um die Verkaufszahlen, sondern um die Abgasmanipulationen ging. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Rauswurf Winterkorns als Schutz für Konzern und Piëch selbst gedacht war. Salzburger Nockerln sollten immer heiß serviert werden – der Salzburger VW-Gipfel ist auch fast zwei Jahre später immer noch heiß und für die Teilnehmer möglicherweise brandgefährlich.

Was sind die politischen Konsequenzen? Für Stephan Weil ist es die gefährlichste Phase in seiner Zeit als Ministerpräsident. Die Vorwürfe des VW-Patriarchen Ferdinand Piëch wiegen schwer. Selbst wenn sie aus der Luft gegriffen sein sollten, kommen sie für Weil zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Im aufkeimenden Bundestagswahlkampf und nicht einmal ein Jahr vor der Landtagswahl sorgen sie für Unruhe. Weil droht für die SPD zu einer Belastung im Wahlkampf zu werden, auch in Berlin werden die Genossen leicht unruhig. Hinzu kommt, dass Weil es selbst nicht mehr in der Hand hat. Er muss abwarten, ob Piëch noch ein Ass im Ärmel hat, die Staatsanwaltschaft Braunschweig neue Erkenntnisse gewinnt oder einer der übrigen Beteiligten im unseligen Dieselgate-Mikado mit einer unbedachten Äußerung seine Glaubwürdigkeit beschädigt. Der schlimmste Fall für Weil wäre, wenn Ferdinand Piëch doch die Wahrheit sagt und das auch belegen kann. Das wäre für Weil das politische Aus und für die niedersächsische SPD vor der Landtagswahl eine Katastrophe. Oder eine Chance. Was macht eigentlich Olaf Lies gerade?

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