Hängende Köpfe bei der SPD

Im „Alten Magazin“ in Hannover war alles eingestellt auf eine gemütliche und aufmunternde Party. Die Schinkenbrote waren geschmiert, Bier und Kaltgetränke standen bereit, sogar eine Band ist erschienen im „Alten Magazin“.

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Doch wo sonst Theaterstücke aufgeführt und fetzige Wahlkampfreden gehalten werden, herrscht an diesem Abend eine regelrechte Trauerstimmung. Die Gesichter der Genossen sind ernst, fast regungslos, sie wirken enttäuscht und machen dieser Stimmung teilweise auch Luft. Niedergeschlagen stehen Doris Schröder-Köpf, Herbert Schmalstieg und Stefan Schostok vor den Bildschirmen, auf denen der rote Balken der SPD bei 20 Prozent stehenbleibt. Alptetkin Kirci, Stadt-Vorsitzender der SPD, tritt hier als Gastgeber auf.

Die Landes-Spitzen der Partei sind nicht gekommen, Ministerpräsident Stephan Weil ist nach Berlin gefahren – um ganz in der Nähe zu sein, wenn die Parteiführung das niederschmetternde Wahlresultat verdauen und die künftige Machtverteilung neu ordnen muss. Kirci hat überhaupt keinen Zweifel, dass am Ende der kommenden Koalitionsgespräche auf Bundesebene nur die Oppositionsrolle der SPD stehen kann: „Wir haben vier Jahre staatspolitische Verantwortung gezeigt, sind treibende Kraft für Reformen gewesen – und die Erfolge kassiert die Kanzlerin. Das darf nicht so weitergehen, sonst landen wir am Ende dort, wo andere sozialdemokratische Parteien in Europa gelandet sind – im Nichts.“

Auch Andreas Gehrke, Vize-Vorsitzender des SPD-Unterbezirks, teilt diese Einschätzung: „Viele Genossen sagen, dass wir nicht weiter in der Regierung bleiben dürfen.“ Kirci betont noch, dass es möglicherweise besser gewesen wäre, wenn Martin Schulz einen Pro-Europa-Wahlkampf anstelle des Mehr-Gerechtigkeit-Wahlkampfs geführt hätte. Und er plädiert für einen Generationswechsel in der Partei: „Schulz sollte Vorsitzender der SPD bleiben, aber die Herren Gabriel und Oppermann sollten sich jetzt Gedanken machen, was sie nun tun wollen.“

Betroffenheit bei der CDU

Die Christdemokraten waren für ihre zentrale Feier ganz weit an Hannovers nördlichen Stadtrand gezogen, und als die erste Hochrechnung über den Bildschirm flimmert, herrscht betroffenes Schweigen. Kurz zuvor war auch Landtags-Spitzenkandidat Bernd Althusmann erschienen, und da hatten die rund 200 Mitglieder noch kräftig geklatscht. Nun aber, da die Verluste der CDU/CSU größer sind als erwartet, kommen auch kritische Stimmen.

Keine Partystimmung auf dem CDU-Wahlabend – Foto: KW

„Alle demokratischen Parteien sollten sich den Rechtspopulisten strikt entgegenstellen“, sagt Bernward Schlossarek, Fraktionschef der CDU im hannoverschen Regionsparlament. Deshalb solle die SPD „endlich aufhören, die Linken hinterherzulaufen“. Hendrik Hoppenstedt, Bundestagsabgeordneter aus Burgwedel, hätte auf ein besseres Abschneiden der CDU gehofft: „Das ist nun nicht der strahlende Auftakt für den Landtagswahlkampf, den ich mir gewünscht hatte.“

Dirk Toepffer, Chef der hannoverschen CDU, sieht es immerhin als Trost, dass die Christdemokraten den klaren Auftrag zur Regierungsbildung erhalten haben. In kleinen Runden an den Tischen geht es um die Frage, ob es Fehler bei der CDU gebe, die für die Stärke der AfD verantwortlich sind. „Das Ergebnis ist natürlich schon ein Signal gegen die Flüchtlingspolitik“, sagt Althusmann, und die CDU müsse künftig „auch über konservative Positionen stärker diskutieren.“

Überraschter Jubel bei den Grünen

Viele feiern am liebsten bei sich zuhause, so auch die Grünen. Die Wahlparty der Grünen in Hannover findet im Kulturzentrum Faust mitten im Bezirk Linden, einer Hochburg, statt. Dort erzielten die Grünen bei der letzten Bundestagswahl 30 Prozent. Allerdings füllt sich der Raum nur langsam. Grüne sind eben manchmal nicht so pünktlich, sagt eine der Gastgeberinnen der Stadtpartei.

Gute Stimmung bei Parteichef Stefan Körner (links), Spitzenkandidatin Julia Verlinden (Mitte), der Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler und Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer – Foto: MB.

Kein Wunder: Die Grünen stellen sich an diesem Abend auf ein eher unterdurchschnittliches Ergebnis ein. Die Umfragen vor der Wahl waren eher mau, die Stimmung ist dementsprechend etwas verhalten. Umso lauter ist der Jubel um kurz nach sechs, als der Balken der Grünen in der ersten Prognose in eine ungeahnte Höhe steigt. Der niedersächsische Parteivorsitzende Stefan Körner jubelt ebenso wie Agrarminister Christian Meyer und Bundestagskandidat Sven-Christian Kindler.

https://soundcloud.com/user-385595761/verlinden-jamaika-wir-haben-noch-andere-optionen

Allein die niedersächsische Spitzenkandidatin Julia Verlinden jubelt nicht. Das Ergebnis sei zwar besser als erwartet, sagt Verlinden kurz danach im Gespräch mit dem Rundblick. Man habe allerdings das Wahlziel, dritte Kraft zu werden, verfehlt. Auf den Magen geschlagen ist Verlinden auch das Abschneiden der AfD. „Das ist ein hässliches Ergebnis“, meint sie. Gefeiert wird bei den Grünen in Hannover an dem Abend dennoch. Rund 100 Gäste sind es nun doch noch geworden. Das Ziel Zweistelligkeit bei der Landtagswahl in drei Wochen scheint wieder machbarer, die Bundestagswahl ist ein Motivationsschub für die Partei.

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Freude und Erleichterung bei der FDP

Bei den Freien Demokraten ist das Lokal in Hannover sogar noch ein wenig besser gefüllt und der Jubel um 18 Uhr noch ein wenig lauter. Nach vier Jahren Bundestagsabstinenz spielt die Partei wieder mit. Sogar die bei den Liberalen ungeliebten Grünen hat man hinter sich gelassen.

Gero Hocker und Ulla Ihnen (demnächst für die FDP im Bundestags) mit FDP-Landeschef Stefan Birkner (rechts) – Foto: MB.

Vor vier Jahren hätte ich mit einem solchen Ergebnis nicht gerechnet. Das freut uns sehr“, sagt der Landesvorsitzende Stefan Birkner im Gespräch mit dem Rundblick. Das Ergebnis ist für ihn ein Ansporn für die Landtagswahl. Der politische Rahmen für die Landtagswahl werde schließlich durch die Bundestagswahl gesetzt. Jetzt denkt man bei der FDP einen Schritt weiter. Können wir mitregieren und wollen wir das eigentlich auch? Zwei Seelen schlagen dabei in der Brust manches Liberalen. Auf der einen Seite wolle man sich schließlich nicht der Verantwortung entziehen, heißt es. Auf der anderen Seite wissen einige nicht, wie die geforderten Reformen in einem Jamaika-Bündnis umgesetzt werden sollen. Als Haupthindernis werden dabei allerdings nicht die Grünen, sondern Angela Merkel und die CDU gesehen.

https://soundcloud.com/user-385595761/fdp-chef-nennt-spd-nein-zur-groko-verheerend

Das müssen nun allerdings die Berliner entscheiden. In Hannover kann man sich damit nicht befassen, die Freidemokraten müssen beim Feiern etwas auf die Uhr schauen – viele planen schon den nächsten Tag und verabreden sich, um Plakate für die Landtagswahl aufzuhängen. Es geht weiter.