Fußball-Terminplanung vom grünen Tisch
Darum geht es: Nach Protesten der Polizeidirektion Hannover hat die Deutsche Fußballliga das als Hochrisikospiel eingestufte Derby zwischen Eintracht Braunschweig und Hannover 96 verlegt. Von Ostersonntag auf Ostersonnabend. Dazu ein Kommentar von Isabel Christian.
Offenbar verfolgen die Mitglieder der Deutschen Fußballliga (DFL) die Bundesligaspiele nur zu Hause bei Sky, gemütlich auf dem Sofa sitzend. Dass sie sich mal in oder an einem Stadion blicken lassen, scheint unwahrscheinlich. Denn anders als mit völliger Weltfremdheit ist es nicht zu erklären, dass die DFL die hochbrisante Begegnung zwischen Hannover 96 und der Eintracht Braunschweig von Ostersonntag auf Ostersonnabend vorverlegt hat – und damit alles nur noch schlimmer macht.
Die Anhänger von Hannover 96 und von Eintracht Braunschweig sehen einander mehr oder weniger als Hassfiguren, das ist ein jahrzehntealtes Phänomen. Dass es unter den Fans so einige gibt, die dieser Feindschaft auch gern mit Fäusten und Waffen Nachdruck verleihen, ist auch kein Geheimnis. Wer sich in Niedersachsen für Fußball interessiert, weiß das. Wer sich im Rest der Bundesrepublik für Fußball interessiert, dürfte das auch wissen. Und ausgerechnet jene, die den Fußball zu ihrem Beruf gemacht haben, haben von dieser Feindschaft keine Ahnung oder es kümmert sie nicht? Das ist schwer nachzuvollziehen.
Nicht ohne Grund waren Niedersachsens Polizisten alles andere als begeistert, als die DFL die ersten Termine der Rückrunde veröffentlichte. Diese werden von der DFL in einem komplizierten technischen Losverfahren bestimmt. Ein Derby zwischen den Erzrivalen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig am Ostersonntag bedeutet für Tausende Beamte Urlaubssperre für die gesamten Osterferien. Der Termin liegt in der Mitte der beiden Ferienwochen – außerdem bereitet die Polizei jeden solchen Einsatz intensiv vor und nach. Schließlich ist die Partie aufgrund der Fanfeindschaft als Hochrisikospiel eingestuft und muss entsprechend geschützt werden. Bei der Hinrunden-Begegnung von Hannover 96 und Eintracht Braunschweig im November waren 2600 Landes- und Bundespolizisten im Einsatz, das kostete das Land rund 1,2 Millionen Euro. Also bat die Polizeidirektion Hannover als federführende Behörde die DFL um eine Verschiebung des Termins. Ihr Angebot: Gründonnerstag, damit die ohnehin stark belasteten Beamten zumindest in der zweiten Ferienhälfte Urlaub nehmen können. Stattdessen wählte die DFL den Ostersonnabend und beschert der Landespolizei und den Beamten der Bereitschaftspolizei der angrenzenden Bundesländer damit ein extrem belastendes Fußballwochenende. Denn am Ostersonntag soll nach derzeitiger Planung der HSV in Bremen spielen, die Begegnung birgt aus polizeilicher Sicht Risiken. Und Braunschweig spielt fünf Tage vor dem Derby zu Hause gegen Dynamo Dresden, deren Ultra-Szene ebenfalls berühmt-berüchtigt ist.
Doch mit der Wahl des neuen Termins leidet jetzt nicht nur die Polizei. Am Sonntag wären die Geschäfte in der Innenstadt geschlossen gewesen, jetzt geraten auch Händler und Bummler zwischen die Fronten. Selbst wenn die Polizei einen Großteil der gewaltbereiten Gästefans um die Innenstadt herum zum Stadion geleitet, können die Beamten nicht alle Fans überwachen. Die Heimfans schon gar nicht. Die Gefahr ist deshalb groß, dass Fangruppen mitten in der City aufeinander losgehen oder randalieren. Die Händler befürchten daher zu Recht, dass ihre Kunden aus Vorsicht wegbleiben, und das an einem umsatzstarken Feiertagswochenende. Zudem müssen sie dafür sorgen, dass ihre Läden im schlimmsten Fall auch am Dienstag nach dem Derby wieder öffnen können und nicht grundsaniert werden müssen. Beides trifft auch die Schausteller auf dem Schützenplatz, die eigentlich mit einem besucherstarken ersten Wochenende des Frühlingsfests kalkulieren. Wenn aber massive Polizeipräsenz und unkontrollierbare Ultras die Gäste vergraulen, macht sich das in der Kasse empfindlich bemerkbar.
Vielleicht hat sich die DFL für den Sonnabend entschieden, weil sie glaubt, nach der friedlichen Hinrunden-Begegnung sei die Feindschaft ja gar nicht so schlimm. Doch das dürfte ein Irrtum sein. Denn wie hoch ist wohl die Wahrscheinlichkeit, dass sich die gewaltbereiten Ultras wieder eine Nacht vor Anpfiff in Hildesheim zur Schlägerei verabreden, um dann von der Polizei aufgesammelt und aus dem Geschehen genommen zu werden? Sie dürfte im einstelligen Bereich liegen. Stattdessen werden die Ultras das Gefühl haben, einiges nachholen zu müssen.