Ist der Rundfunkbeitrag zu niedrig oder zu hoch? Ist die Präsenz im Internet zu gering oder zu stark? Über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird derzeit viel diskutiert. Im Politikjournal Rundblick begleiten wir die Debatte mit einer Serie von Gastkommentaren. Heute lesen Sie den Beitrag von Arno Beyer, Direktor des Landesfunkhauses in Niedersachsen und stellvertretender Intendant des Norddeutschen Rundfunks.

Arno Beyer, Direktor des Landesfunkhauses in Niedersachsen des Norddeutschen Rundfunks. – Foto: Marcus Krüger / NDR

Die aktuelle Auseinandersetzung um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wurde ausgelöst durch die politische Sorge um die Höhe und die sogenannte Stabilität des Rundfunkbeitrages. Zunächst und vermutlich auch zuletzt geht es ums Geld. Indes vermengen sich in der Debatte mittlerweile ordnungspolitische Überlegungen mit Programmkritik, grundsätzliches Wohlwollen mit kommerziellen Interessen, Bedürfnisse des Publikums mit komplizierten rechtlichen Problemen.

Einige Klarstellungen scheinen angebracht. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat sich nicht selbst erfunden. Weder seinen Auftrag noch seine Finanzierung, weder den NDR noch Radio Bremen oder das ZDF. All das ist der Wille des Souveräns, nämlich von 16 Landesparlamenten in Deutschland. Die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen wurden in den vergangenen Jahrzehnten stetig weiterentwickelt und durch das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe nachdrücklich bestätigt.


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Ganz offensichtlich sind die Beitragszahler mit der gegenwärtigen Realisierung des gesetzlichen Auftrages ziemlich zufrieden. Allein die Angebote der ARD erreichen täglich 80 Prozent aller Deutschen, die Tagesschau verzeichnet mit durchschnittlich mehr als 10 Millionen Zuschauern einen historischen Höchststand, NDR 1 Niedersachsen ist seit 24 Jahren der meist gehörte Sender im Land, die einstmals „dritten“ Programme werden deutschlandweit zusammen mehr genutzt als jeder kommerzielle Sender, Tendenz steigend. Diese Reihe ließe sich sogar noch ziemlich lange fortsetzen, weil die Akzeptanz der öffentlich-rechtlichen Angebote eben sehr, sehr hoch ist.

Dieser rein quantitative Erfolg ist, solange er mit seriösen Qualitätsprogrammen erreicht wird, gerade wegen des von allen Haushalten bezahlten Beitrages unverzichtbar. Der Marktanteil allein aber begründet nicht die Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Diese ergibt sich nämlich auch und gerade aus jenen Programmen, die eher spezielle Zielgruppen ansprechen und daher naturgemäß von einer kleineren Zahl Menschen genutzt werden. Solche Produktionen sind aber keineswegs automatisch preiswerter als jene von mehrheitsfähigen Sendungen. Beispielhaft genannt seien Phoenix und NDR Kultur, der Deutschlandfunk und Arte, NDR Info oder der Kinderkanal sowie tagesschau24. Aber auch diese erreichen täglich ein Millionenpublikum.

Das gesamte Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kostet jeden Haushalt weniger als 60 Cent pro Tag. Damit werden übrigens auch Orchester finanziert, die für das kulturelle Leben in Deutschland nur schwer verzichtbar sind. Was immer man gegen den öffentlich-rechtlichen Auftrag oder dessen Umsetzung einwenden kann, im Ergebnis handelt es sich um ein äußerst faires Verhältnis von Preis und Leistung. Bis Ende 2020 wird der Rundfunkbeitrag monatlich 17,50 Euro betragen. Er ist dann mehr als ein Jahrzehnt stabil geblieben. Vergleiche zu der Kostenentwicklung für Dienstleistungen, Gebühren oder Steuern an anderer Stelle erübrigen sich wohl.

Grundsätzlich dürfte es schwer fallen, die Akzeptanz eines durch Vielfalt begründeten Angebotes dadurch zu erhöhen, dass man eben diese Vielfalt reduziert.

Die Bundesländer haben den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufgefordert, seinen Aufwand dauerhaft und nachvollziehbar zu senken. Das wird in den nächsten Jahren durch einen erheblichen Kraftakt auch geschehen und rund eine Milliarde Euro einsparen. Beileibe keine Kleinigkeit. Die ARD vereinheitlicht zum Beispiel bundesweit ihre IT-Systeme. Jede Landesbehörde ahnt, was das bedeutet. Der staatliche Anstoß in Richtung Strukturoptimierung, so viel steht fest, war sinnvoll und effektiv. Einiges davon hätten die öffentlich-rechtlichen Anstalten durchaus auch schon früher in Angriff nehmen können.

Programmkürzungen haben die Sender nicht angeboten, weil das bisherige Angebot in Einklang mit dem gesetzlichen Auftrag steht und von den Beitragszahlenden nachweislich intensiv genutzt wird. Grundsätzlich dürfte es auch schwer fallen, die Akzeptanz eines durch Vielfalt begründeten Angebotes dadurch zu erhöhen, dass man eben diese Vielfalt reduziert. Den Ländern aber reichen die geplanten Kostenreduzierungen noch nicht aus. Sie befürchten zukünftige Beitragserhöhungen, die politisch nicht mehr vermittelbar seien.

Vielleicht könnte für die Auflösung dieses offensichtlichen Dilemmas ein bereits ähnlich diskutierter, hier nur holzschnittartig vorgetragener Vorschlag die Richtung weisen: Wie wäre es mit dem Einfrieren des Rundfunkbeitrages auf seine bisherige Höhe, die in Zukunft lediglich entsprechend der allgemeinen Inflationsrate angepasst wird? Damit könnte eine zeitgemäße, perspektivisch eher offene Auftragsanpassung einhergehen, von der auch die Telemedien umfasst sind. Ein solches Paket würde sicherlich auch der bislang durch das Verfassungsgericht verbrieften Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk genügen.

In einer Demokratie hat immer der Souverän das letzte Wort. Dessen Weisheit und Weitsicht hat in Deutschland jenes differenzierte und regionalisierte, staatsferne, aber gesellschaftlich kontrollierte Rundfunksystem etabliert, das im Zusammenspiel zwischen öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Anbietern in ganz Europa seinesgleichen sucht.

Eines Tages vielleicht ja sogar für etwas mehr als 60 Cent.

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