„Frauen müssen sich selber Netzwerke aufbauen“
Von Jasmin Schönberger
Machen Frauen eine andere Politik als Männer? Über diese Frage spricht heute Abend die bekannte Feministin Alice Schwarzer im Landtag. Landtagspräsident Bernd Busemann hat sie in der Reihe „Parlamentsleben“ eingeladen. Arbeiten Frauen wirklich anders? Der Rundblick hat drei Landespolitikerinnen nach ihren Erfahrungen gefragt.
Glaubt man einem damaligen Pförtner des Justizministeriums, scheint das der Fall zu sein: „Mit der Frau an der Spitze des Ministeriums kann ich mir vorstellen, dass endlich wieder gearbeitet wird. Bei den Männern steht doch eher die persönliche Darstellung im Vordergrund.“ Mit diesen Worten ist die damals frisch ernannte Justizministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU) 2003 am Eingang ihres neuen Amtssitzes empfangen worden, erzählt sie. Etwas verwundert sei sie schon gewesen, fügt aber hinzu: „Frauen packen Dinge tatsächlich anders an und setzen sich mehr ein. Und wenn es ein ausgewogeneres Verhältnis von Männern und Frauen in der Politik gäbe, würden sicher Termine und Themen anders gesetzt.“
Noch sind die Frauen im Landesparlament klar in der Minderheit. Von den 137 Abgeordneten im niedersächsischen Landtag sind 42 weiblich. Bei den Grünen liegt die Zahl aufgrund der Frauenquote bei 50 Prozent, bei der CDU sind es hingegen nur rund 22 Prozent. Dazu kommt, dass es Frauen durchaus schwer gemacht wird, in der männerdominierten Welt Fuß zu fassen, bestätigt Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD). Einschneidend war für sie ein Erlebnis 1986 im Northeimer Ortsrat, wo sie als 20-Jährige als zweite stellvertretende Ortsbürgermeisterin kandidierte. „Bei der konstituierenden Sitzung stand ein Mann von der CDU auf und sagte: ‚Das geht ja jetzt gar nicht. Erst mal ist sie viel zu jung, hat überhaupt keine Erfahrung und ist außerdem noch eine Frau‘“, erzählt Heiligenstadt. „Ich bekomme heute noch eine Gänsehaut“, sagt Heiligenstadt. Mit der heutigen Zeit sei der damalige Umgangston nicht mehr vergleichbar, berichtet die Ministerin. Auch von Männern erführen Frauen in ihrer Partei eine breite Unterstützung. Allerdings komme es noch oft vor, dass Vorschläge von männlichen Kollegen auf Ratsebene eher wahrgenommen werden als die von weiblichen.
Von positiven Erfahrungen berichtet Gabriele Heinen-Kljajic (Grüne), die Wissenschaftsministerin. „Wenn es um Ämter oder Listenplätze geht, haben wir bei den Grünen sicher auch einen wettbewerblichen Umgang miteinander. Aber eine geschlechtsspezifische Benachteiligung habe ich nicht erfahren“, sagt sie. Ein Problem sei eher, dass Frauen, die das Potenzial für eine politische Karriere hätten, oft nicht dazu bereit seien. „An dieser Stelle ist das Thema Vereinbarkeit von Amt und Privatleben ein ganz zentrales.“ Dies bestätigt auch Heister-Neumann. „Das liegt auch an der weiblichen Biografie. Ich selbst habe das Amt als Ministerin erst angenommen, als die Kinder nach der Schule allein sein konnten. Gerade auf Ratsebene fällt es vielen Frauen mit Kindern schwer, abends beispielsweise noch Termine wahrzunehmen und an Sitzungen teilzunehmen.“
Müssen Frauen vielleicht auch mutiger auftreten? Es sei auch an den Frauen, sich das in der Politik so wichtige Netzwerk aufzubauen, sagt Heinen-Kljajic und fügt hinzu: „Daran scheitert es oft.“ Frauen neigten zudem oft zu Selbstzweifeln. Das beziehe sich nicht nur auf die Politik, sondern auf das gesamte Berufsleben. „Ganz viele Frauen geben sich mit der zweiten Position zufrieden“, findet auch Heister-Neumann. „Wenn man sie fragt warum, heißt es häufig: ‚Dort zieht man alle Pfeile auf sich, in der zweiten Reihe kann ich meine Arbeit machen‘. Frauen müssen selbstbewusster auftreten und sollten sich nicht so oft die Butter vom Brot nehmen lassen.“ Ganz wichtig sei zudem die Frauenquote, nicht nur bei den Grünen „Die Quote bei der SPD hat schon dafür gesorgt, dass die eine oder andere Frau in höhere Positionen gekommen ist, wo ohne Quote vielleicht eher ein Mann berücksichtigt worden wäre.“ Und selbst Elisabeth Heister-Neumann sagt: „Ich war früher nicht für eine Frauenquote, mittlerweile bin ich fest von ihr überzeugt.“
Heute wird Alice Schwarzer erklären, welche Schritte sie zur Förderung einer weiblich geprägten Politik befürwortet.
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