So feierte die Landespressekonferenz ihren 70. Geburtstag
Normalerweise betonen die Vertreter einer Organisation, die ihren 70. Geburtstag in einem Festakt feiert, zu einem solche Anlass ihre eigene Bedeutung. Diesmal aber ist es ganz anders. Die „Landespressekonferenz“, ein Verein der landespolitisch tätigen Journalisten in Niedersachsen, hat 150 Gäste zu ihrem Jubiläum ins gerade eröffnete neue Landtagsgebäude eingeladen – darunter den Landtagspräsidenten und den Ministerpräsidenten, Parteivorsitzende, Abgeordnete und Verbandsvertreter. An sie alle hat der LPK-Vorsitzende Thorsten Hapke, Leiter der Redaktion Landespolitik beim NDR-Fernsehen, in seiner Rede einen eindringlichen, aber ungewöhnlich klingenden Rat: „Liebe Politiker, seid gelassener. Nehmt uns nicht so wichtig. Unterstellt nicht böse Absicht, wenn Euch eine Schlagzeile ärgert. Kein Journalist verfolgt mit seiner Arbeit das Ziel, Euch mal richtig eins auszuwischen.“
Noch ein gutgemeinter Hinweis von Hapke folgt: Die Politiker sollen nicht nach schönen Schlagzeilen gieren und nicht die Inszenierung über den Inhalt stellen – sondern darauf achten, was politisch notwendig ist. „Wer Popularität über Populismus erringt, verliert sie genauso schnell wieder“, fügt er hinzu. Und an die eigenen Berufskollegen hat der NDR-Redakteur auch einen Rat: Die landespolitischen Korrespondenten sollten der Versuchung widerstehen, Berater von Politikern zu werden. „Wenn wir Ratschläge geben, dann öffentlich, in Kommentaren, in Analysen, nicht hinter der Bühne im Zwiegespräch mit den politisch Handelnden. Nur wenn wir nicht Teil des politischen Prozesses sind, können wir ihn kritisch reflektieren.“
Als Hapke das alles vorträgt, geht ein Raunen durch den Veranstaltungsraum im Untergeschoss des Landtagsgebäudes. Manches kritische Wort hatten die Gäste wohl erwartet, aber dass es in diese Richtung gehen würde, dachten wohl nur einige. Schließlich genießen Journalisten bei nicht wenigen Politikern den Ruf, sehr auf ihre eigene Bedeutung bedacht zu sein. Nun kommt der oberste Repräsentant der niedersächsischen Landesjournalisten und beklagt, dass die politische Rolle der Journalisten von den Politikern maßlos überschätzt, also völlig verkannt werde.
Diskussion über die Krise des Journalismus
Ob beide Seiten, Politiker und Journalisten, doch noch fremdeln? Ministerpräsident Stephan Weil hatte mit ironischem Unterton vorgeschlagen, den LPK-Vorsitzenden künftig auch „Präsidenten“ zu nennen, wie es „der vierten Gewalt im Staate“ zustehe. Darauf Hapke trocken: Das lehne er ab, da die Journalisten „eine kritische Reflexionseinheit“ bildeten, die zwar viel zu sagen, nichts aber mit Macht zu entscheiden hätten, also keine Gewalt ausübten. Weil hatte auch vom mitunter schwierigen Verhältnis zu den Redakteuren gesprochen.
Politiker wünschten sich solche, die alles sofort verstünden und gutheißen würden. Reporter wiederum wollten Regierende, die alles sofort ausplauderten, am besten exklusiv nur ihnen gegenüber. „Die Professionalität gebietet es auch, Distanz zu wahren“, meint Weil. Landtagspräsident Bernd Busemann erwähnt, dass beide Seiten dennoch aufeinander angewiesen seien: Die Politiker könnten nur wirken, wenn das Ergebnis ihrer Arbeit auch verbreitet werde. Und Journalisten könnten nur schreiben, wenn die Politik vorher auch gehandelt oder es zumindest angekündigt hat.
Doch so selbstbewusst die Landespressekonferenz zum 70. auch auftritt, so sehr befindet sich der Journalismus selbst in einer Krise. Die Auflagen der Tageszeitungen gehen zurück, soziale Medien sind auf dem Vormarsch, Zeit und Personal für gründliche Recherchen fehlen. Die Verlage sparen, während die Pressestellen der Behörden wachsen und gedeihen. Wie kann man darauf reagieren?
Die Wahrheit spielt in sozialen Netzwerken keine Rolle, die Lüge befeuert das Geschäftsmodell.
Drei leitende Journalisten plaudern in der LPK-Feier aus dem Nahkästchen. Matthias Koch, Mitglied der Chefredaktion des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND), sieht zwei durchaus gegenläufige Tendenzen – die möglichst schnelle Präsentation der wichtigen Nachricht einerseits, die ausgeruhte, entschleunigte Darstellung von Hintergründen und Analysen andererseits. Christiane Krogmann von tagesschau.de beschreibt die Schwierigkeiten, für eilige Nachrichten rasch eine seriöse Bestätigung finden zu müssen – und dann manchmal eben langsamer zu sein als andere, die den Wahrheitsgehalt einer Information nicht überprüfen.
Für Sven Gösmann, dpa-Chefredakteur, ist es empörend, dass sich Fake-News im Netz nicht selten nachhaltiger und erfolgreicher verbreiten als gut recherchierte Berichte: „Die Karrieren von Falschmeldungen gehen unverdrossen weiter“, meint er – und RND-Chefredakteur Koch folgert aus dem Erfolg von Donald Trumps Medienstrategie in den USA: „Die Wahrheit spielt in sozialen Netzwerken keine Rolle, die Lüge befeuert das Geschäftsmodell.“ Der dpa-Chefredakteur wünscht sich als Gegengewicht künftig Journalisten, die fachkundig sind, ein gesundes Urteilsvermögen haben und die Fähigkeit, Dingen auf den Grund zu gehen. Es gehe immer mehr darum, den Gehalt von Informationen zu gewichten. Gebraucht würden keine „Rezensionsjournalisten“, die nur ihre Gefühle beschreiben, Haltungen und Inszenierungen bewerten und es unterlassen, nach den Ursachen und Folgen zu forschen.
Der LPK-Vorsitzende Hapke nennt es den „journalistischen Dreiklang“, der seit langer Zeit für die Landespressekonferenz maßgeblich sei: „Schreiben, was ist. Erklären, warum es ist. Und überprüfen, ob es richtig ist, wie es ist.“ (kw)