Feiertags-Debatte: Welchen freien Tag hätten’s denn gern?
Darum geht es: In Niedersachsen läuft immer noch die Suche nach einem neuen Feiertag. Bis zum Sommer soll es laut Ministerpräsident Stephan Weil eine Entscheidung geben. Ein Kommentar von Martin Brüning.
Gut geht es einem Land, das keine andere Sorgen hat. In Niedersachsen kann man derzeit keinen Neujahrsempfang und keine Pressekonferenz besuchen, ohne mit der Frage eines zusätzlichen Feiertages konfrontiert zu werden. Inzwischen wird die Gemengelage etwas unübersichtlich. Der DGB ist dafür, die Wirtschaft ist dagegen. Die Protestanten hätten am liebsten den Reformationstag, den halten die jüdischen Gemeinden wiederum aufgrund antisemitischer Ausfälle Martin Luthers für untragbar. Die Katholiken fänden den Buß- und Bettag ohnehin besser. Ministerpräsident Stephan Weil merkelt und versucht die Konflikte ein wenig wegzumoderieren. Die Grünen hätten lieber einen säkularen und keinen christlichen neuen Feiertag und die FDP versucht, sich nicht an die Spitze der neuen Feiertagsbewegung zu stellen, um es sich nicht völlig mit der Wirtschaft zu verderben. Zugleich will man sich der Freizeit-Euphorie aber auch nicht entgegenstellen.
In den Schulen fällt derweil immer noch Unterricht aus, auf den Autobahnen staut sich der Verkehr, bezahlbare Wohnungen sucht man vielerorts vergeblich und der Weg zum Arzt wird auf dem Land eher länger als kürzer. Das rückt angesichts der wilden Feiertagsdiskussion aber in den Hintergrund, eine gute PR-Taktik der Großen Koalition. Die gute Botschaft eines zusätzlichen freien Tages stellt die politischen Alltagsprobleme für einige Zeit in den Schatten. Und eine neue Koalition, die zunächst einmal einen freien Tag verspricht, kann doch so schlecht nicht sein, oder?
Feiertag kann ein Nachteil für alle sein
Natürlich kann man das Vorhaben eines weiteren freien Tages hinterfragen. Das reizt allein deshalb, weil außer der Wirtschaft mit dem üblich langweiligen und technischen Argument der Jahreswirtschaftsleistung kaum jemand dem Vorhaben widersprechen möchte. Wer will sich schon unbeliebt machen? Warum ein zusätzlicher Feiertag ein Nachteil für uns alle sein könnte, haben wir im Rundblick bereits Mitte Oktober erklärt – hier nachzulesen.
Ebenso fragwürdig ist allerdings die Debatte darüber, welcher Tag es denn nun eigentlich werden soll. Während die Konfessionszugehörigkeit in diesem Land jedes Jahr weiter zurückgeht und viele Pastoren am Sonntag vor leeren Reihen stehen, käme man nicht unbedingt auf die Idee, dass diese Gesellschaft dringend Interesse an einem weiteren kirchlichen Feiertag haben könnte. Umso erstaunlicher ist es, dass ausgerechnet der Reformationstag ganz oben auf der Liste steht. Der größte Erfolg des Reformationsjahres 2017 der evangelischen Kirche war 7,5 Zentimeter groß und ein gutes Geschäft für Playmobil. Der kleine Martin Luther aus Plastik verkaufte sich mehr als eine Million mal.
Halloween als neuer Feiertag
Die Aussage, das Luther-Jubiläum werde in die Geschichte eingehen, wie Margot Käßmann es formuliert hat, ist wohl eher ein Euphemismus. Denn während sich sogar nicht fußballbegeisterte Deutsche wohl auch noch in ein paar Jahren an die Fußball-WM 2006 im eigenen Land erinnern werden, wird es beim Reformationsjahr nur noch heißen: Wann war das noch mal? Die Besucherzahlen blieben mau, dafür gab es ein Millionen-Defizit. Hinzu kommt, dass die jüngere Generation den 31. Oktober nicht mehr mit Martin Luther verbindet, sondern mit Horror-Masken an den Haustüren klingelt, um Süßigkeiten abzustauben. Man könnte also ebenso gut Halloween als neuen Feiertag anpreisen. Der Sinn ist derselbe, es klingt halt nur nicht so gut.
Welcher Feiertag soll es denn sein, fragt der NDR im Internet kürzlich in einer Umfrage. 52 Prozent stimmten für den Reformationstag, 26 Prozent für den Buß- und Bettag und gerade mal 22 Prozent gaben vermutlich die ehrlichste Antwort: „Ganz egal – Hauptsache: frei!“ Gut geht es einem Land, das keine andere Sorgen hat.