FDP-Politiker Kuhle kritisiert „Verachtung“ gegenüber der Politik
Niedersachsens FDP-Generalsekretär Konstantin Kuhle hat bestimmten Gruppen eine „Konsumhaltung gegenüber der Politik“ vorgeworfen. Bei einer Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung in Göttingen forderte Kuhle, dieser Teil der Gesellschaft müsse aus der Ecke herauskommen und sich engagieren. „Es gibt eine sehr gebildete, ökonomisch wohlhabende Gruppe, die mit einer Verachtung auf politische Parteien und deren Akteure blickt, die atemberaubend ist. Es gibt dort eine despektierliche Haltung gegenüber Politikern und politischen Entscheidungen, die einen verzweifeln lässt“, sagte Kuhle.
Es werde die Nähe zwischen politischer Sphäre und Gesellschaft verachtet, dadurch bewegten sich beide Seiten immer weiter auseinander. Dabei ist es laut Kuhle in keiner westlichen Demokratie so einfach wie in Deutschland, in politische Verantwortung zu kommen.
Ralf Fücks sorgt sich um die liberale Demokratie
Der FDP-Bundestagsabgeordnete sprach sich auch für eine bessere Streitkultur aus. Es gebe so viele gute Politiklehrer, Schüler und Studierende, die Debatten mit Politikern oder anderen Entscheidungsträgern organisierten. Diese stießen immer wieder an praktische Grenzen und fragten sich zum Beispiel, ob man jetzt mehr als zwei Parteien einladen müsse. „Die sagen dann: Ach, ich lasse es lieber, weil ich mir keinen Ärger einfangen will. Wir haben eine Vorsicht bei der Organisation von politischen Diskussionen, die uns nicht gut tut“, sagte Kuhle. „Wir brauchen aber eigentlich in allen Schulen, Hochschulen, Berufsschulen und Fachhochschulen mindestens jede Woche eine Debatte mit Entscheidungsträgern und keine Angst vor politischem Streit.“
Wie Kuhle sorgt sich auch Ralf Fücks um die liberale Demokratie. Fücks, der gerne Vordenker der Grünen genannt wird, ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter des „Zentrums Liberale Moderne“, einem Thinktank in Berlin. „Bis vor nicht allzu langer Zeit hätte ich gesagt, unsere Demokratien sind robuster, als wir befürchten“, sagte er auf der Veranstaltung in Göttingen
Schließlich seien Bildungssystem und Staatsapparat demokratiefest. Deshalb müsse man eigentlich nicht panisch werden. „Aber wenn ich mir die Entwicklungen in Großbritannien, den USA und Italien vor Augen führe, bin ich mir nicht mehr so sicher und würde vor zu viel Selbstgewissheit warnen“, mahnte der frühere Bremer Umweltsenator. „Wir sollten nicht zu sicher sein, dass Demokratie in ihrer Substanz nicht gefährdet werden könnte.“
Die weitere Entwicklung hänge sehr stark von wirtschaftlicher und sozialer Stabilität ab. Wenn diese Faktoren ins Rutschen gerieten, wie zum Beispiel das Exportmodell der deutschen Wirtschaft, seien innenpolitische Verwerfungen nicht mehr auszuschließen. Es brauche glaubhafte Lösungen bei zentralen Herausforderungen wie Klimaschutz und Altersarmut, um die Legitimation liberaler Demokratien zu festigen und ihre Strahlkraft zu erneuern, betonte Fücks.
Professor Marcel Tyrell, Wirtschaftswissenschaftler von der Universität Witten/Herdecke, plädierte für eine von Respekt geprägte Diskussionskultur. Es gehe darum, Diskussionen an der Sache und unterschiedlichen Konzepten auszurichten. Die Vergangenheit sieht Tyrell dabei nicht unbedingt als Vorbild. „Es ist gut, dass wir nicht mehr die politischen Aushandelsprozesse wie in den 70er Jahren haben, als zwei große Volksparteien Konflikte in Hinterzimmern ausgetragen haben“, sagte Tyrell.
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Das meinte auch der FDP-Politiker Kuhle. Auch die Volksparteien der 70er Jahre seien kein perfektes System gewesen. Es seien Zweifel angebracht, ob die Qualität politischer Partizipation oder auch das Bildungssystem damals wirklich besser gewesen sei. „Wir müssen uns wieder mehr darüber im Klaren, sein, dass es sich bei unserer Demokratie um ein lernendes und nicht um ein perfektes System handelt, das niemals einen historischen und perfekten Endzustand erreicht.“