Fast Food eindämmen? Nicht jeder neue Vorschlag ist auch sinnvoll
Darum geht es: Bundesernährungsministerin Julia Klöckner will gegen zu viel Fett, Zucker und Zusatzstoffen in Lebensmitteln vorgehen. Mit den Herstellern von Fast Food will sie sich jetzt auf eine „Grundsatzvereinbarung“ einigen, die unter anderem vorsieht, dass Tiefkühlpizzen kleiner werden sollen. Ein Kommentar von Isabel Christian.
Zum heutigen Welternährungstag muss man die Initiative von Julia Klöckner zunächst mal loben. Denn es stimmt: In fast allen Lebensmitteln, die man heutzutage im Supermarkt kaufen kann, sind viel mehr Zucker, Fett und sonstige Zusatzstoffe enthalten, als nötig wäre. Vor allem bei Fertigprodukten erfüllt diese Großzügigkeit den Zweck, dass wir die Produkte so lecker finden, dass wir gar nicht mehr damit aufhören wollen, sie zu essen. Das fängt schon im Kleinkindalter mit gesüßtem Tee und zuckrigen Babykeksen an. Klöckner hat völlig recht: Babys brauchen eine Menge, aber keinen Zucker in ihrem Tee. Mit dem Vorhaben dagegen, die Portionen von Pizzen, Chicken-Nugget-Boxen und anderem Fast Food kleiner zu machen, damit auch Erwachsene nicht so viel Ungesundes zu sich nehmen, ist die Ernährungsministerin wohl übers Ziel hinausgeschossen. Kein Wunder, dass sich die Lebensmittelkonzerne die Hände reiben und nur zu gern zusagen, ihre Portionsgrößen zu verkleinern. Denn kleinere Pizzen führen nicht zu kleinerem Hunger. Stattdessen kaufen die Kunden zwei Pizzen, schließlich wollen sie satt werden. Für die Hersteller bedeutet das doppelten Gewinn, denn sie müssen den Preis für eine Pizza nicht reduzieren, nur weil weniger dran ist. Wenn man den Fast-Food-Konsum von Erwachsenen also ernsthaft eindämmen will, muss man die Ursachen angehen.
Ursache eins: Zeitmangel. Selbst wenn sie einen Nine-to-Five-Job haben, bleibt den meisten Menschen in ihrem Alltag kaum frei verfügbare Zeit. Acht Stunden arbeiten, dann das Kind aus der Schule abholen und zur Musikstunde bringen, weiterfahren zum Fitnessstudio, danach kurz etwas einkaufen, zu Hause die Waschmaschine anwerfen und einmal durchsaugen, bevor der Rest der Familie nach Hause kommt und lautstark etwas zu essen verlangt. In solchen Situationen sind Pizza und Chicken Nuggets gegenüber Frischgekochtem klar im Vorteil. Denn ihre Zubereitung erledigt sich tatsächlich fast von selbst. Es ist nicht so, dass wir ein Volk von Kostverächtern wären. Das beweist der seit Jahren ungebrochene Erfolg von Kochsendungen, Kochbüchern und so weiter. Gekauft, geschaut und gekocht wird mit Genuss. Doch sich selbst an den Herd zu stellen, ist vielen dann doch zu aufwendig. Und ihre knapp bemessene freie Zeit ist vielen zu kostbar, um sie für die Herstellung von Essen zu opfern. Das Problem lässt sich leider nicht mit einem einzigen Handstreich lösen. Aber es ist ein Anfang, den Menschen nachhaltig zu vermitteln, dass gesundes Essen keineswegs viel Zeit beanspruchen muss. Wer sich ein bisschen mit Kochen befasst, kann in den zwanzig Minuten, die es braucht, um eine Pizza aufzubacken, Nudeln mit einer selbst gemachten Soße kochen. Deshalb ist es wichtig, dass schon Kinder lernen, wie sie sich einfach und schnell etwas Leckeres zu Essen machen, damit sie Fast Food gar nicht erst als alternativlos kennenlernen.
Ursache zwei: Der Preis. Mittlerweile gibt es ja auch gesundes Fast Food in jedem Supermarkt. Salat, fertig mit Dressing und Topping, Suppe, Sandwiches. Doch im Vergleich mit dem fettigen Fast Food sind die gesunden Snacks immer noch deutlich teurer. In der Filiale eines bekannten Discounters kostet ein Fertigsalat mit Nudeln 2,50 Euro. Für diesen Preis bekommt man drei Regale weiter das Dreierpack Salamipizza. Davon werden theoretisch drei Personen satt, vom Salat nur eine. Wenn Ernährungsministerin Klöckner will, dass die Menschen eher zu dem gesunden Fast Food greifen, als zur fettigen Alternative, muss sie also dafür sorgen, dass die gesunden Snacks auch preislich eine Alternative sind. Die Pizza darf nicht den Bruchteil vom Salat kosten.
Ursache drei: Gewöhnung. Man isst Pizza, weil sie schmeckt. Fett ist ohnehin Geschmacksträger und bei Fertigpizzen kommt noch eine ganze Reihe von künstlichen Zusätzen hinzu, die das Belohnungszentrum im Gehirn ansprechen und uns ein Gefühl von Wohlbehagen geben. Natürlich weiß man, dass das ganze Produkt völlig ungesund ist. Aber der emotionale Eindruck, den die Pizza im Gedächtnis hinterlassen hat, ist stärker als die Vernunft. Es hilft nicht, wenn die Portionen kleiner sind, die Pizza aber noch genauso umwerfend schmeckt wie vorher. Denn die Geschmacksverstärker leisten ganze Arbeit. Statt auf die Vernunft zu hören und bei der kleineren Portion zu bleiben, wird eher noch die zweite Pizza in den Ofen geschoben. Daher sollte Klöckner ihre Babykeks-Initiative auch auf Fast Food für Erwachsene ausdehnen und statt an den Portionen etwas an der Zusammensetzung des Fast Foods ändern. Hier kann sie im Zweifel auch gesetzlich vorgehen, indem sie den Einsatz bestimmter Geschmacksverstärker limitiert oder komplett verbietet.