Europaparteitag der Grünen: Trittin attackiert die GroKo
Auf dem Grünen-Landesparteitag in Osterholz-Scharmbeck hat der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin die Große Koalition in Berlin scharf attackiert. Sie habe nur über europäische Politik geredet, aber keine gemacht. „Wenn es ihnen gepasst hat, haben Union und SPD national gehandelt. „Die Griechen sollten alleine mit einer internationalen Krise fertig werden, die Italiener alleine mit den Flüchtlingen. Diese Haltung hat Nationalisten erst stark gemacht“, sagte Trittin und erntete viel Applaus bei den knapp 200 Delegierten.
Mit der Verlogenheit müsse Schluss gemacht werden. Es sei der Sozialdemokrat Olaf Scholz gewesen, der eine gemeinsame Besteuerung von Großunternehmen verhindert habe. „Die Willfährigkeit gegenüber einzelnen Unternehmensinteressen macht Europa kaputt“, befürchtet der Bundestagsabgeordnete.
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Mehr soziale Mindeststandards und eine einheitlichere Besteuerung von Unternehmen: diese Ziele formulierten die Grünen auf dem Parteitag für die künftige EU-Politik. Die EU-Abgeordnete Terry Reintke, die als Gastrednerin nach Niedersachsen gekommen war, plädierte für eine europaweite Mindesteinkommensrichtlinie. „Es muss in allen Staaten eine Grundsicherung, ein Grundnetz an europäischen Mindestlöhnen, geben, damit Menschen nicht auf nichts zurückfallen, wenn sie ihren Arbeitsplatz verlieren“, forderte Reintke. Es gebe immer mehr „working poor“, die trotz Arbeitsplatz zu wenig Geld zum Leben hätten.
Die Willfährigkeit gegenüber einzelnen Unternehmensinteressen macht Europa kaputt.
Auf der anderen Seite zahlten multinationale Konzerne zum Teil nur 0,0005 Prozent Steuern, während es beim Bäcker um die Ecke 20 Prozent seien. „Dem müssen wir einen Riegel vorschieben. Es darf keinen Steuerwettbewerb zwischen Mitgliedstaaten mehr geben.“ Mit dem eingenommenen Geld könne die öffentliche Daseinsvorsorge finanziert werden.
Auch die Landesvorsitzende der Grünen, Anne Kura, bezeichnete es als Fehler, dass Unternehmen in der EU von der Infrastruktur und zugleich von laxer Steuerregulierung profitierten. Das müsse verändert werden. Im einstimmig beschlossenen Antrag heißt es, statt Steuerdumping brauche es einen „fairen europäischen Wettbewerb, von dem auch niedersächsische Unternehmen profitieren“ könnten. Die Partei setzt auf eine gemeinsame Bemessungsgrundlage für die Besteuerung von Unternehmen und in einem zweiten Schritt eine europäische Unternehmenssteuer.
Auf dem Parteitag beschlossen die niedersächsischen Grünen ebenfalls einstimmig auch einen Antrag, in dem eine Umstellung der Agrarsubventionen gefordert wird. Die Liste der Missstände aufgrund der verfehlten Agrarpolitik vergangener Jahrzehnte sei sehr lang, sagte die Europaparlamentskandidatin Viola von Cramon. Ganz oben auf der Forderungsliste stehe die Abschaffung der Flächenprämie. „Es darf kein Geld mehr für Eigentum geben, es muss Geld für Bewirtschafter geben, die zusätzliche gesellschaftliche oder ökologische Leistungen erbringen“, sagte von Cramon. „Wer viel fürs Tierwohl tut, sich für das Artenreichtum sowie Klima- und Naturschutz einsetzt, soll deutlich mehr Geld bekommen, als derjenige, der nur wenig dafür tut.“ Öffentliches Geld nur noch für öffentliche Güter, lautet das Motto der Grünen.
Der ehemalige Landwirtschaftsminister Christian Meyer sprach von einer radikalen Agrarwende, die dringend nötig sei, wenn es nicht zu einem Kahlschlag und zu einem gigantischen Insektensterben kommen soll. „Die ursprünglichen Ziele, bäuerliche Betriebe zu erhalten und das Klima und die Arten zu schützen, werde wird völlig verfehlt. Stattdessen werden Großbetriebe und Massentierhaltung finanziert.“
Die Delegierte Regina Stegemann aus Aurich sagte, die Landwirte verstünden sich zwar immer noch als selbständige Unternehmer. Dabei seien sie „eingekeilt zwischen der Dünge- und Saatgutindustrie auf der einen und dem Abnahmemonopol auf der anderen Seite“. „Sie sind schon lange nicht mehr frei. Sie sind Außenstellen der Agrarindustrie und tragen das volle Risiko“, sagte Stegemann.
Auch die Landtagsabgeordnete Miriam Staudte forderte eine Umkehr in der Agrarpolitik. Dabei verwies sie auf Pestizide und deren Abbauprodukte, die das Grundwasser belasteten. „Experten warnen davor, dass es noch schlimmer wird. Die Filterfunktion des Bodens sei endlich. Wir können diese Schäden nicht hinnehmen“, sagte Staudte.