Darum geht es: Der Sieg von Donald Trump wirft auch einen Schatten auf die bevorstehenden Wahlen in Deutschland und in Niedersachsen, meint Klaus Wallbaum.

Deutschland ist nicht mit den USA gleichzusetzen, doch die Rechtspopulisten scheinen international auf dem Vormarsch zu sein – in Frankreich, Österreich und Holland ebenso wie in Ungarn und Polen, sogar auf den Philippinen. Sie predigen die Besinnung auf die eigenen nationalen Kräfte, wenden sich gegen alles Fremde und verbreiten eine Verschwörungstheorie: „Die da oben“, bisher herrschende Politiker, Wirtschafts- und Medienleute, würden „das Volk“ belügen und betrügen. Nun hat es einer, der Milliardär Donald Trump, mit dieser hierzulande von Pegida-Aufmärschen bekannten Masche bis zum US-Präsidenten gebracht. Ist das nun Grund für eine „große Sorge“, wie Ministerpräsident Stephan Weil gestern meinte?

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Das ist es nur bedingt. Ob Trump wirklich den Protektionismus umsetzt, für den er sich im Wahlkampf als Sprücheklopfer stark gemacht hat, darf bezweifelt werden. Er braucht eine robuste Wirtschaft und wird im Amt schnell feststellen, dass seine Möglichkeiten begrenzt sind. Die Abkehr vom Freihandel würde doch am Ende auch den Amerikanern schweren Schaden zufügen. Ob Trump eine Mauer an der Grenze zu Mexiko baut, Ausländer aus dem Land wirft und die zunehmende Gewaltbereitschaft gegenüber Schwarzen, Homosexuellen und Latinos toleriert, wird sich auch erst noch zeigen. Wenn er es tut, darf man auf die Zivilcourage der Amerikaner bauen. Diese große Demokratie ist gefestigt genug, um sich notfalls auch gegen einen Präsidenten aufbäumen zu können, der die Regeln des zivilen Zusammenlebens und die Minderheitenrechte missachtet. In Deutschland sollte man jetzt nicht den Fehler machen, der US-Gesellschaft ein Abdriften in undemokratische Denkweisen zu unterstellen. Wenn nur diejenigen Trump gewählt hätten, die seine chauvinistische, illiberale und latent anti-parlamentarische Haltung teilen, hätte er nie die Mehrheit bekommen. Trump gelang es, jede Menge Proteststimmen auf seine Seite zu ziehen – von Menschen, die sich ausgegrenzt und bedroht fühlen, die Angst um ihren Arbeitsplatz und ihren sozialen Status haben. Normalerweise wählen diese Leute Demokraten, aber weil ihnen Hillary Clinton unglaubwürdig erschien, haben sie diesmal für Trump gestimmt. Insofern steht sein Sieg nicht für das allmähliche Sterben der Demokratie, sondern nur für die extreme Schwäche der demokratischen Bewerberin.

Trumps Erfolg wird gleichwohl in den nächsten zwei Monaten überall die Populisten beflügeln, auch in Deutschland. Aber die Bundestagswahl ist erst in einem Jahr, die nächste Landtagswahl ein Jahr nach Trumps Amtsantritt in Washington. In Amerika haben die Demoskopen und die Medien das, was sich vorgestern plötzlich in den Wahllokalen ereignete, nicht im Blick gehabt. Haben die Zeitungen und Meinungsforscher ebenso wie die Politiker den Draht zu den „kleinen Leuten“ und ihren Problemen verloren? Eine Lehre muss sein, dass man diejenigen, die von den Populisten mobilisiert werden, nicht unterschätzen oder belächeln darf. Ängste, Sorgen und Befürchtungen müssen von der Politik auch dann ernst genommen werden, wenn die gebildeten, wohlhabenden Amtsträger sie als unrealistisch abtun wollen. Das ist ein Grund, warum zum Beispiel viel für ein Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit spricht – weil das eben nicht zu unserer Gesellschaft gehört, und weil es vielen Furcht einflößt.

Mag sein, dass Trump schnell in der Wirklichkeit ankommt und aus dem rüpeligen Populisten ein halbwegs erträglicher und berechenbarer Politiker wird. Hoffen wir es.