Entlastung am richtigen Ende
Darum geht es: Die SPD geht mit der Forderung nach beitragsfreien Kitas in den Landtagswahlkampf. Bisher ist in Niedersachsen lediglich das dritte Kindergartenjahr beitragsfrei. Ein Kommentar von Martin Brüning:
Ob die Forderung der niedersächsischen SPD ein Alleinstellungsmerkmal im Wahlkampf wird, bleibt abzuwarten. Denn im Wilfried-Hasselmann-Haus, der CDU-Parteizentrale, wird man den inhaltlichen Schachzug mit Interesse verfolgt haben. Und wenn man klug ist, zieht man nach und fordert dasselbe. Gegen den beitragsfreien Kindergarten kann niemand etwas haben. Es ist eine sinnvolle Forderung und ein gutes politisches Ziel.
Die Gebühren für Kindergärten sind für viele Eltern eine große Belastung – erst recht, wenn mehr als ein Kind in der Familie gerade im Kindergartenalter ist. Im Spagat zwischen Einkommenseinbußen, die es wegen der Betreuung kleiner Kinder in vielen Familien gibt, und höheren Kosten, weil das Leben mit Kind immer teurer ist als das Leben ohne Kind, wäre der beitragsfreie Kindergarten eine wichtige und sinnvolle Entlastung. Profitieren würden davon nicht die sozial schwächeren, sondern endlich einmal die Zielgruppe, die der Staat am liebsten schröpft: die breite Mitte. Denn zum Teil wird der Höchstsatz in der Kindergärten schon bei Familieneinkommen fällig, die nicht gerade in die Kategorie „Besserverdiener“ fallen.
Auch der Konkurrenzgedanke bei den Kommunen, die bereits heute wie die Stadt Salzgitter mit der beitragsfreien Kita für ihren Standort werben können, geht hier ins Leere. Niemand, der in Braunschweig arbeitet, wird wegen der Kita-Gebühren nach Salzgitter ziehen. Die meisten befassen sich bei der Wohnungssuche nicht einmal mit der Kitagebühr vor Ort und müssen sich dann mit den Gebühren an ihrem Wohnsitz abfinden. Den Kommunen bleiben im Wettbewerb untereinander andere Möglichkeiten.
Rot-Grün hat in dieser Legislaturperiode bei der beitragsfreien Bildung am falschen Ende angefangen. Statt sich zuerst um die zugegebenermaßen recht unbeliebten Studienbeiträge zu kümmern, wäre die beitragsfreie Kita das sinnvollere Projekt gewesen. Die Abschaffung der Studienbeiträge war der politisch einfachere Weg, weil der politische Druck bereits spürbar war und Studenten ihren Protest laut artikulierten, während Eltern zwischen Kindererziehung und Job zumeist einfach still bezahlen. Wenn es um Bildungsgerechtigkeit geht, sollte aber die Priorität darauf liegen, die Startbedingungen in der Bildung beitragsfrei zu stellen. Wer es bis zum Studium geschafft hat, braucht weniger Förderung als diejenigen, die den langen Weg durch Kindergarten und Schule noch vor sich haben.
Unbefriedigend bleibt bei der Forderung der SPD allerdings die Frage nach der langfristigen Finanzierung. SPD-Landeschef Stephan Weil verweist auf den gesunden Haushalt. Man befinde sich finanziell auf festem Boden. Das kann in fünf Jahren aber anders aussehen. Niemand weiß genau, wie sich die Wirtschaft und damit auch die staatlichen Einnahmen in Niedersachsen und in Deutschland in den kommenden Jahren entwickeln werden. Ehrlich wäre es, in der Politik auch einmal an anderer Stelle etwas einzusparen, um die nötigen 300 Millionen Euro, die jedes Jahr nötig sein werden, auf sichere Füße zu stellen. Das Projekt einer beitragsfreien Kita wäre es allemal wert.