Beide haben so vieles gemeinsam – und stehen doch einander in Abneigung gegenüber. Stephan Weil (58), der Ministerpräsident, und Bernd Althusmann (50), der Herausforderer, wollen beide am Sonntag einen Auftrag zur Bildung der nächsten Landesregierung erhalten. In Umfragen wird ein knappes Rennen angedeutet, und beide dürften ihr Ziel nur mit jeweils nicht einfachen Koalitionsverhandlungen erreichen können. Bei der Landtagswahl geht es zunächst um eine wichtige Frage: Wer liegt vorn, die CDU oder die SPD? Diejenige große Partei, die stärkste Kraft wird, bekommt den ersten Auftrag zur Bildung der neuen Regierung. Wer sind die Spitzenkandidaten und was wollen sie?

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Zur Person: Stephan Weil

Er galt jahrelang als eher blass und sachorientiert, kein Mann, der mit einer feurigen Rede einen Saal zum Jubeln bringt. Im Wahlkampf hat sich das geändert, seine überraschend gute Laune fiel auf, sein Kampfgeist war erwacht – er trat auf einmal angriffslustig auf, fuhr teilweise wilde Attacken vor allem auf die CDU. Damit hat er sein Profil geschärft. Ein kleines Team mit Landtagsfraktionschefin Johanne Modder und SPD-Landesgeschäftsführer Georg Brockmeyer steht ihm in diesen Zeiten täglich zur Seite, sie konferieren jeden Morgen um 7 Uhr in der Frühe. Bevor Wahlkampf war, blieb vielen Beobachtern ein Rätsel, wer eigentlich Weil berät.

Manche seiner Entscheidungen, zu Personalfragen vor allem, lösten Diskussionen aus. Im Frühsommer, als bekannt wurde, wie in Vergabefragen geradezu chaotische Zustände in der Staatskanzlei herrschten, offenbarten sich die Schwächen des Regierungschefs: Hatte er doch 2013 in der Staatskanzlei ein Nebeneinander von vier Staatssekretären geschaffen, die sich – wie anders kaum zu erwarten war – gegenseitig ins Gehege gerieten.

Es prägte sich damals schon ein Bild dieses Politikers, der über alles die Kontrolle behalten will und versucht, die Minister so zu steuern, wie er es mit seinen Dezernenten tat, als er noch Oberbürgermeister von Hannover (2006 bis 2013) war. Doch eine starke ordnende Hand in der Staatskanzlei machte sich trotzdem nicht bemerkbar. Am ehesten gelang dieser Kurs wohl noch in der Agrarpolitik, da die Bauernverbände ihren Ärger mit Minister Christian Meyer (Grüne) hatten und der Regierungschef selbst eingreifen musste. Weil genoss die Politik unter guten Rahmenbedingungen bei vollen Kassen.

Oft wurde ihm vorgehalten, Probleme wegzulächeln, etwa den Ärger um die Unterrichtsversorgung. Der Jurist ist in Hannover aufgewachsen, hat hier als Anwalt und Staatsanwalt gearbeitet, war dann im Justizministerium beschäftigt und anschließend als Kämmerer und OB in der Landeshauptstadt. Er kennt die Verwaltung, bewegt sich etwa im Umgang mit Kommunalpolitiker auf sicherem Terrain. Er hat auch eine starke soziale Prägung, denn seinen Zivildienst hat Weil in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hannover absolviert. Weil ist Fußballfan, nennt das Laufen und Lesen als seine Hobbys und ist nach eigenen Worten ein Christ – auch wenn er in den achtziger Jahren aus der katholischen Kirche ausgetreten ist. Er tritt auch im persönlichen Gespräch bescheiden auf und hat scherzhaft als seinen Berufswunsch einmal angegeben, Schatzmeister des DFB werden zu wollen. Als er bei den Jusos war, nannte man ihn „Helmut Schmidt“, das war eine Anspielung auf seinen Pragmatismus.

Weils Strategie

Er möchte, dass seine SPD stärkste Partei wird, um als erster einen Vorschlag für die Regierungsbildung machen zu können. Weil peilt eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP an – und er hofft, die FDP werden umfallen, denn bisher hat FDP-Spitzenkandidat Stefan Birkner ein Ampel-Bündnis definitiv ausgeschlossen, und zwar noch vor zwei Tagen. In Weils Umgebung heißt es, eine Große Koalition wolle der SPD-Spitzenkandidat möglichst vermeiden, auch dann, wenn er in einem solchen Bündnis Ministerpräsident bleiben könnte.

Zur Person: Bernd Althusmann

Er wirkt immer etwas steif und hölzern, ganz so, als gehe er eiskalt an seine Aufgaben. Das ist jedoch nur die Oberfläche, und der frühere Bundeswehroffizier hat Probleme, aus seiner Haut zu kommen, locker, beschwingt und humorvoll aufzutreten. Der anstrengende Wahlkampf hat den Panzer, den er um sich trägt, eher noch härter werden lassen. Erst ganz zum Schluss, beim TV-Duell vor wenigen Tagen, machte er sich von eigenen Zwängen frei und griff Stephan Weil massiv an. Das kam allerdings sehr, sehr spät. Dabei eilt dem 50-Jährigen der Ruf voraus, für die Aufgabe eigentlich bestens gerüstet zu sein, er kennt die Details der Landespolitik und beherrscht die Debatten – ähnlich wie es für Amtsinhaber Weil gilt. Eigentlich dürfte er gar keine Nervosität verspüren. Sie ist trotzdem da. Bei Althusmann war es vor allem die Arbeit als Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion (2003 bis 2009), in der er seine Stärken zeigte und großen Respekt bei Freunden und Gegnern erntete.

Er wurde dann 2009 Staatssekretär im Kultusministerium, ein knappes Jahr später Kultusminister und hatte eine schwere Probe zu bestehen, als Vorwurf laut wurde, er habe Teile seiner Doktorarbeit zur Betriebswirtschaft abgeschrieben. Die Kritik verdichtete sich nicht, er konnte den Titel behalten. Althusmann schaffte es 2013 nicht, seinen Wahlkreis Lüneburg zu verteidigen – und ging für zweieinhalb Jahre nach Namibia als Leiter der Auslandsvertretung der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Wenige Monate nach seiner Rückkehr, im November 2016, wurde er zum neuen CDU-Landesvorsitzenden und Spitzenkandidaten für die Landtagswahl gewählt. Seither lief seine Arbeit nicht ohne Probleme und Pannen, die sich dann auch in allmählich sinkenden Umfragewerten widerspiegelten. Erst hieß es, sein Wahlkampf komme nicht richtig in Gang. Als dann nach dem Übertritt der Grünen-Abgeordneten Elke Twesten zur CDU die Mehrheit im Landtag ins Rutschen geriet und die Wahl von Januar auf Oktober vorgezogen wurde, fehlte Althusmann auf einmal die Zeit, er musste sich mit der Vorstellung seines Kompetenzteams beeilen. Dabei schlug er manchen Ratschlag aus, präsentierte auch sehr viele Namen, seine Kampagne wirkte zeitweise gehetzt und wenig durchdacht, parteiintern wurde Unzufriedenheit laut. Er wurde, ähnlich wie es manchmal auch Weil in der SPD widerfuhr, als Einzelgänger und Eigenbrötler bezeichnet.

Dabei gewinnt Althusmann immer dann an Stärke, wenn es um die vertiefte Debatte über Sachthemen geht, hier zeigt er, wie sehr er sich mit den Dingen auseinandergesetzt hat. Wie für Weil gilt auch für ihn, dass er ein Herz für soziale Themen hat. Das Verhältnis zu seinem Vater, einem Pastor, war sehr eng – und als dieser vor seinem Tod gepflegt werden musste, lernte Althusmann den Lebensalltag bei der Pflege kennen. Heute zählt er zu denen, die vehement für eine bessere Bezahlung dieses Berufs werben.

Althusmanns Strategie

Der CDU-Spitzenkandidat hat Skepsis anklingen lassen, dass ein Jamaika-Bündnis aus CDU, FDP und Grünen klappen könnte – wegen der Probleme, die sowohl die CDU als auch die FDP mit den Grünen haben. So zeigt sich Althusmann viel offener als beispielsweise Weil gegenüber einer Großen Koalition. Viele in der CDU würden diesen Weg wohl auch dann gehen wollen, wenn die SPD stärkste Partei würde und Weil Ministerpräsident bleiben könnte. (KW)