Ems-Sanierung mit Hindernissen
Von Heinz-Josef Laing
Die Umsetzung erster Maßnahmen für den „Masterplan Ems 2050“ ist ins Stocken geraten. Das 2015 beschlossene ehrgeizige Vorhaben der rot-grünen Landesregierung sieht eine auf 35 Jahre angelegte ökologische Sanierung des Flusses im niedersächsischen Westen vor. Die Europäische Union (EU) hatte Niedersachsen dazu verpflichtet und im Gegenzug auf ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Verstößen gegen europäische Umwelt- und Naturschutzbestimmungen verzichtet. Dem Land hatten Millionen-Strafzahlungen gedroht, weil ausgewiesene EU-Vogelschutzgebiete und Natura-2000-Areale in Mitleidenschaft gezogen würden. Beteiligt bei der Flusssanierung ist auch die Bundesregierung, da es sich bei der Ems um eine Bundeswasserstraße handelt. In Ostfriesland wird jetzt allerdings über die ersten Vorhaben des Masterplans gestritten. Im Zentrum der Kritik steht der Bau von riesigen Tidepoldern, mit deren Hilfe eine zunehmende Verschlickung der Ems verhindert werden soll.
Einer dieser Polder soll bei der kleinen Ortschaft Coldemüntje im Landkreis Leer entstehen. Dieser Tidepolder soll auf einer 30 Hektar umfassenden Fläche große Mengen Wasser aus der Ems aufnehmen, das durch ein spezielles Bauwerk im Flussdeich einströmen soll. Der mit den Planungen und der Umsetzung betraute Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) will mit dem Polder einen flusstypischen Lebensraum schaffen mit Prielen und Tümpeln. Dazu müssen rund 340.000 Kubikmeter Erde ausgebaggert und entsorgt werden. Kommunalpolitiker und Anwohner sorgen sich um Ruhe und Beschaulichkeit in der vom Tourismus geprägten Region. Sie rechnen mit mehreren Tausend Lastwagen-Fuhren zum Abtransport des Aushubs. Entlang der Ems sind weitere solcher Polder geplant. Sie sollen jedoch nicht dazu dienen, den Schlick aus der Ems zu lagern, sondern verschwundene Naturräume an dem Flusslauf wiederherzustellen.
Auch der geplante Bau eines bis zu 20 Hektar großen Versuchs-Polders an einem Altarm der Ems ist in die Kritik geraten. Ulf Thiele, CDU-Landtagsabgeordneter aus Ostfriesland und CDU-Generalsekretär in Niedersachsen, hält nicht viel von dem Pilot-Vorhaben. Der Polder dürfe nicht zu einem unwiederbringlichen Eingriff in die geschützte Natur entlang der Ems werden, kritisiert er. Unklar ist bisher auch, wo der Aushub bleiben soll. Mit dem Speicher will das Land in der Nähe der Stadt Weener ausprobieren, ob ein solches überdimensionales Becken die Verschlickung der Ems reduzieren oder verhindern kann. Thiele hat sich derweil der Kritik des niedersächsischen Heimatbundes angeschlossen, der durch diesen „massiven Eingriff“ Beeinträchtigungen der seit Jahrzehnten ungestörten Entwicklung so genannter Auenbiotope befürchtet.
Schon bei den vorbereitenden Bodenuntersuchungen für den Versuchs-Polder war es zu erheblichen Problemen gekommen, da im Frühsommer bei zwei Anläufen die vom NLWKN eingesetzten Amphibienfahrzeuge versackten und die Proben nicht nehmen konnten. Die speziellen Kettenfahrzeuge fuhren sich auf dem schlammigen Untergrund fest. Später mussten die Arbeiten wegen der Brutzeit geschützter Vogelarten pausieren. Erst in diesen Wochen, da die Papenburger Meyer-Werft bei aufgestautem Ems-Fahrwasser mit der „Genting Dream“ wieder einen ihrer Kreuzfahrt-Riesen über den Fluss bis in die Nordsee brachte, gelang die Beprobung. Sie soll Aufschluss darüber geben, wo genau der Pilot-Polder angelegt werden kann.
Kritik an den Polderplänen hatten neben Kommunal- und Landespolitikern auch immer wieder Landwirte entlang der Ems geübt. Sie sollen für den Masterplan Flächen abgeben. Insgesamt benötigt das Land rund 700 Hektar, um den Bau aller vorgesehenen Polder sowie Schritte zur Renaturierung umsetzen zu können. Die EU hatte ursprünglich 1500 Hektar verlangt und war erst nach langen Verhandlungen davon abgerückt. Hintergrund des Masterplans ist die zunehmende Verschlechterung der Wasserqualität der Ems. Sedimenteinträge durch den Tidenhub nahmen zu, weil der Flusslauf regelmäßig ausgebaggert werden muss, um die Überführung der Meyer-Schiffe zu ermöglichen. Dagegen wenden sich seit Jahren Umweltschützer. Dennoch gelang es dem Land Niedersachsen im vergangenen Jahr, die Umweltverbände Nabu, WWF und BUND für die Unterzeichnung des Masterplans zu gewinnen. Auch Anrainer-Kommunen, der Bund und die Meyer-Werft unterschrieben den Plan.
Doch mit der Umsetzung zeigt sich jetzt, mit welch einem gewaltigen Vorhaben es das Land, seine Ämter und Behörden es zu tun haben. Völlig unklar ist zudem, mit welchen Kosten in den 35 Jahren zu rechnen ist. Insider rechnen mit einem dreistelligen Millionenbetrag für den Masterplan Ems 2050. Konkrete Kostenschätzungen und Finanzierungspläne hat die Landesregierung bisher nicht vorgelegt. Lediglich für den Bau des Einlassbauwerks am Emsdeich bei Coldemüntje gibt es eine grobe Schätzung der Aufwendungen von rund acht Millionen Euro.