Ein Bündnis allein baut noch keine einzige neue Wohnung
Darum geht es: Bis 2015 werden in Niedersachsen fast 300.000 neue Wohnungen benötigt. Parallel dazu sinkt die Zahl der Sozialwohnungen rapide. Konkrete Antworten auf weitere notwendige Schritte gab es in der jüngsten Plenardebatte seitens der Landesregierung nicht. Ein Kommentar von Martin Brüning.
„Olaf Lies kann ein Glücksfall für gebeutelte Mieter sein“, so lautete die Überschrift über einem Rundblick-Kommentar im März dieses Jahres. Zuvor hatte sich das „Bündnis für bezahlbares Wohnen“ gegründet, mit dessen Hilfe der damals noch recht neue Bauminister Olaf Lies den Wohnungsbau kräftig ankurbeln wollte. Ein halbes Jahr später muss sich der Autor dieser Zeilen fragen, ob er mit der Überschrift nicht ein wenig zu viele Vorschusslorbeeren verteilt hat. Bei der Besprechung der Anfrage zum sozialen Wohnungsbau am vergangenen Freitag blieb Lies im Landtag weitgehend unkonkret. Immer wieder verwies er auf das Bündnis und blieb dadurch die Antwort schuldig, welche konkreten Maßnahmen denn eigentlich die Landesregierung vorschlägt, um die Krise am Wohnungsmarkt zu beenden. Enthaltung ist aber keine Haltung. Wenn wir Fragen der Lehrerarbeitszeit auf Arbeitszeitkommissionen übertragen und die Frage des Wohnungsbaus auf ein Bündnis aus 30 Verbänden, Kammern, Unternehmen und Kommunen, wozu müssen wir dann überhaupt noch Politiker und politische Parteien wählen? Der kleinste gemeinsame Nenner, den Interessengruppen in Kungelrunden miteinander vereinbaren, kann kein Maßstab für eine selbstbewusste Politik sein.
Zumal bereits nach einem halben Jahr erste Schwächen des Bündnisses zu Tage treten. Es ist nicht erstaunlich, dass ausgerechnet in der Arbeitsgruppe 1 die ersten Ergebnisse zu verzeichnen sind. In dieser Gruppe geht es um die Förderbedingungen und Fördersätze, also schlicht ums Geld. Schon 2019 soll es bessere Förderbedingungen geben, damit sich für Investoren der Wohnungsbau wieder rechnet. Diese Maßnahme ist auf jeden Fall sinnvoll, aber zugleich auch profan. Das Einfach-Mehr-Geld-Prinzip gerät dort an seine Grenzen, wo Inhalte und Interessen ein wenig komplexer werden. So geht es in der Arbeitsgruppe 2 zum Beispiel um die Verfügbarkeit von Grundstücken, in Gruppe 3 um öffentliche Bauvorschriften und in Gruppe 4 um die Planung. Hier setzt schnell die „Not in my backyard“-Haltung der Verbände ein. Eine Änderung der Garagen- und Stellplatzverordnung? Das Thema schieben wir doch lieber noch ein bisschen. Erst einmal mehr Geld….
Hinzu kommt dann noch die erstaunliche Zurückhaltung des Landes. Nach wie vor werden Bundesmittel weitergeschoben, um den Wohnungsbau anzukurbeln. Eigenes Geld möchte man lieber nicht in die Hand nehmen. Ein Machtwort und ein Engagement der Regierungsfraktionen wären hier wünschenswert. Angesichts des Wohnungsnotstandes darf sich eine Landesregierung keinen schlanken Fuß machen. Auch der Vorschlag des Grünen-Fraktionsvize Christian Meyer, die Niedersächsische Landgesellschaft als Landeswohnungsbaugesellschaft zu nutzen, mag auf den ersten Blick ein wenig kurios erscheinen. Allerdings ist das Land derzeit nicht in der Situation, Vorschläge mit einem Handstrich sofort vom Tisch zu fegen.
Allein die Zahlen des sozialen Wohnungsbaus, um die es am vergangenen Freitag im Landtag ging, machen die Lage mehr als deutlich. Von den aktuell 78.000 Sozialwohnungen in Niedersachsen fällt bis zum Jahr 2025 etwa die Hälfte aus der Sozialbindung heraus. Gleichzeitig werden derzeit nur läppische 1000 Sozialwohnungen pro Jahr gebaut. Lies selbst sprach von einem „überschaubaren Niveau“. Das Ziel liege bei 4000 Wohnungen, auf die man pro Jahr kommen möchte. Die Politik warte immer, bis es eigentlich schon zu spät ist, beschwerte sich der AfD-Abgeordnete Christopher Emden in der Debatte. Das ist nicht der Punkt. Sonderbar ist vielmehr, dass die Politik auch lange, nachdem es schon zu spät war, immer noch genauso schwerfällig agiert. Ein Bündnis allein baut noch keine Wohnung.