Rund 9 Milliarden Euro schießt der Bund den Ländern in diesem Jahr zur Finanzierung des ÖPNV dazu – zu wenig für ein erfolgreiches Gelingen der Verkehrswende, bemängelt Wilhelm Lindenberg. Der frühere Üstra-Vorstand leitet heute den „Managerkreis Niedersachsen-Bremen“ bei der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung und fordert ein radikales Umsteuern in der Verkehrspolitik. Als unzureichend kritisiert er auch die zusätzliche Erhöhung der Regionalisierungsmittel, die vorwiegend für den Schienenpersonennahverkehr eingesetzt werden, auf einmalig eine Milliarde Euro. Stattdessen sollte ein Teil der Mittel für den motorisierten Individualverkehr (MIV) für den ÖPNV abgezweigt werden.

Gibt der Bund den Ländern genug finanzielle Unterstützung für den ÖPNV? Länder und Kommunen sagen: „Nein“, der Bundesrechnungshof sieht das anders. | Quelle: Bundesrechnungshof

Lindenberg verweist in dem Zusammenhang auf ein Gutachten des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmer (VDV) und der Unternehmensberatung Roland Berger. Demnach benötige der ÖPNV eine zusätzliche Finanzausstattung in Höhe von 11 bis 15 Milliarden Euro jährlich für den Ausbau der Verkehrsanbindungen, der Digitalisierung oder auch der Fahrzeugflotte. Neue Geldeinnahmequellen müssten deshalb jetzt gefunden werden, denn auf absehbare Zeit würden dem Staat insbesondere durch den Ausbau der Elektromobilität Einnahmen verloren gehen. „Wir brauchen eine sozialverträgliche Maut für Personenwagen. Damit kriegt man die größten Effekte“, sagt Lindenberg, für den kein Weg an einer Straßennutzungsgebühr für Autos vorbeiführt.

Wilhelm Lindenberg (von links), Lisa Ringen-Jacobs, Steffen Krach und Kirsten Lühmann diskutieren über die Verkehrswende in Niedersachsen. | Foto: Struck

Aktuell würden rund 50 Milliarden Euro an staatlichen Leistungen in den motorisierten Individualverkehr fließen, schätzt er. Mit dem Geld werden beispielsweise der Bau und die Instandhaltung von Straßen finanziert. Es gebe aber auch umweltschädliche Subventionen. Dazu zählt er neben der Pendlerpauschale auch die Dienstwagenpauschale sowie Energiesteuervergünstigungen für Dieselfahrzeuge.

Finanziert wird die MIV-Förderung durch rund 17 Milliarden Euro aus der Lastwagen-Maut und der Kraftfahrzeugsteuer. Haupteinnahmequelle ist zu zwei Dritteln die Energiesteuer, die allerdings durch den Ausbau an E-Autos auf absehbare Zeit deutlich sinken werde. Je mehr Menschen statt eines Benziners oder Diesels ein E-Auto fahren, desto mehr Geld verliert der Staat. „Bis 2030 wird sich die Energiesteuer um 10 Milliarden Euro verringern“, prognostiziert Lindenberg.

Das Defizit sei nur durch neue Finanzierungsmöglichkeiten auszugleichen. Neben einer Auto-Maut bringt der niedersächsische Managerkreis-Chef auch höhere Steuern auf den Kauf eines Neuwagens und Nutznießerentgelte für Unternehmen mit einer guten ÖPNV-Anbindung ins Spiel. Kosten könnten gesenkt werden über eine engere Zusammenarbeit unter den Verkehrsverbünden, beispielsweise durch die Nutzung gemeinsamer administrativer Strukturen. Vor allem aber sollte die Zahl der Verkehrsverbünde drastisch reduziert werden, schlägt Lindenberg vor. „Ein Verkehrsverbund pro Bundesland reicht.“

„Ein Verkehrsverbund pro Bundesland reicht.“

Wilhelm Lindenberg, Vorsitzender des Managerkreises Niedersachsen-Bremen

Ein weiterer Vorschlag: Die Gründung eines „Umsetzungs-Office Verkehrswende“. Dort könnte man anhand von Messinstrumenten überprüfen, wie erfolgreich die Verkehrswende umgesetzt wird und mit welchen Maßnahmen der CO2-Ausstoß weiter reduziert werden könnte. In dem Gremium sollen unter anderem Mitglieder aus der Verkehrsministerkonferenz, der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen sowie dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr vertreten sein.