Die „Rathausaffäre“ um unberechtigte Zulagen, die an zwei hohe Mitarbeiter der hannoverschen Stadtverwaltung geflossen sind, erreicht einen neuen Höhepunkt. Gestern teilte das Innenministerium auf Anfrage des Politikjournals Rundblick mit, dass das Land gegen den Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD) ein Disziplinarverfahren eingeleitet hat. Dieses sei allerdings ausgesetzt worden, da die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in dem Fall noch nicht abgeschlossen sind.

Es geht um den Verdacht, auch der Oberbürgermeister habe schon länger gewusst, dass die jahrelangen Sonderzahlungen an seinen Büroleiter Frank Herbert nicht rechtmäßig waren, aber nichts dagegen unternommen. In der gestrigen Mitteilung des Innenministeriums an den Rundblick heißt es: „Es wurde festgestellt, dass beim Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Hannover zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen.“

Facebook

Mit dem Laden des Beitrags akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Facebook.
Mehr erfahren

Beitrag laden

Diese Aussage ist nun das Ergebnis einer mehr als zwei Monate dauernden Prüfung der Kommunalaufsicht im Innenministerium. Dazu hat die Behörde die Vorgänge gesichtet, Stellungnahmen aus dem Rathaus angefordert und eigene Bewertungen vorgenommen. Da das Ergebnis nun für Schostok negativ ausfällt, stellt sich die Frage, ob ein Verwaltungschef noch seinen Dienst versehen kann, der von seiner Aufsichtsbehörde eines Dienstvergehens bezichtigt wird. Schostok hat bisher die auch aus der hannoverschen Ampelkoalition im Rathaus erteilten Ratschläge, sein Amt ruhen zu lassen, abgelehnt.

Bisher ist lediglich der bisherige Kultur- und frühere Personaldezernent Harald Härke, der sich mit Schostok überworfen hatte, vom Dienst suspendiert worden. Härke hatte sich im vergangenen Jahr längere Zeit dagegen gewehrt, die Sonderzulage für den OB-Büroleiter Herbert, die schon damals rechtswidrig war, noch einmal zu erhöhen. Darüber war es zum heftigen Streit zwischen beiden gekommen. Gegen Härke wurden seinerzeit Vorwürfe laut, er habe seine Lebensgefährtin zu Unrecht befördert. Diese Vorhaltungen haben sich anschließend allerdings nicht erhärtet. Herbert ist vor Beginn der Sommerpause als OB-Büroleiter abgelöst worden, allerdings auf einen anderen Posten im Rathaus versetzt worden.


Lesen Sie auch:

Hannovers Oberbürgermeister rückt von engen Vertrauten ab

Staatsanwaltschaft lässt Büro von Schostok durchsuchen

Schostoks verzweifelter Versuch, sich selbst am Schopf aus dem Sumpf zu ziehen


Herbert wird nach B2 besoldet, hatte aber das Ziel, in den Kreis der Dezernenten Hannovers aufzusteigen. Da die Schaffung einer weiteren Wahlbeamtenstelle nicht möglich war, wurde von 2015 an eine Zulage an Herbert gezahlt, die sein Gehalt faktisch auf B5 anhob. Als Herbert 2017 eine  weitere Erhöhung auf B7 einforderte, wehrte sich Härke auch mit Hinweis auf die Gesetzeslage. Das Landesrecht lässt derartige Zulagen ausdrücklich nicht zu. Im Mail-Verkehr zwischen Herbert und Härke, der den Konflikt beschreibt, wird auch auf die Beteiligung Schostoks verwiesen – und zwar für den 4. April 2017.

Wenn das stimmen sollte, liegt der Verdacht nah, dass Schostok spätestens zu diesem Zeitpunkt von den schweren rechtlichen Bedenken gegen die Zulage erfahren hatte, allerdings nicht dagegen eingeschritten ist. Aufgehoben wurde die Zulage nämlich erst in diesem Jahr, nach der aufgeheizten öffentlichen Diskussion.

Schostok hat allerdings Ende Juni vor dem Rat der Stadt Hannover bestritten, am 4. April 2017 informiert worden zu sein. Gegenstand der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dürfte es jetzt sein, die Glaubwürdigkeit dieser Darstellung zu überprüfen. Schostoks Aussagen zu dem Fall selbst sind indes widersprüchlich. Er hatte vor dem Rat erklärt, erst im August 2017 von den rechtlichen Vorbehalten gehört zu haben – noch im Oktober 2017 aber wurde die Zulage für Herbert um ein Jahr verlängert. Hätte der OB nicht spätestens vor dieser Entscheidung einschreiten und die Verlängerung aufhalten müssen?

Unterdessen heizen die neuen Entwicklungen in der Rathausaffäre die Mutmaßungen über einen womöglich bevorstehenden Rücktritt Schostoks an. Sollte dies in den kommenden Wochen geschehen, so wäre eine Neuwahl parallel zur Europawahl am 26. Mai 2019 vorstellbar. In der SPD wird über den früheren Finanzdezernenten Marc Hansmann und die Bundestagsabgeordnete Yasmin Fahimi als OB-Kandidaten spekuliert, auch über den Bundestagsabgeordneten Matthias Miersch, in der CDU über die Vize-Vorsitzende der Landtagsfraktion, Mareike Wulf.