Drei SPD-Spitzenpolitiker auf der Bühne – nur zwei überzeugen
„Moin!“ ruft Niedersachsens SPD-Landeschef Stephan Weil auf der Bühne vor den rund 180 Delegierten in der Rattenfängerhalle in Hameln. Es ist kurz nach zehn und viele Genossen sind offenbar noch etwas müde von der Anfahrt. Ein müdes und kaum hörbares „Moin“ erwidern die Genossen in den Reihen vor der Bühne. „Ach Leute“, sagt Weil und ruft den Gruß noch einmal lauter in den Saal. „Moin!“, schallt es jetzt zurück. Die heiße Phase des Landtagswahlkampfes ist noch Monate entfernt, aber Stephan Weil ist schon seit Wochen auf Touren. Das merkt man ihm auch auf der Bühne in Hameln wieder an. Rednerpult? Redemanuskript? War gestern. Weil steht nur mit einem Mikro in der Hand mitten auf der Bühne – so ein bisschen Christian Lindner-Style in der SPD.
Und so stimmt er die SPD-Mitglieder gleich auf den anstehenden Wahlkampf ein. „Die nächsten Monate werden hart für uns. Wir müssen alles an Kampfgeist aufbieten, was wir haben“, appelliert Weil an die Genossen und gibt gleich den Status quo bekannt: „Wir alle sind motiviert bis in die Fußspitzen. Jetzt ist eine Phase der Entscheidung.“ An dieser Stelle muss Weil seine Rede kurz unterbrechen. Denn genau jetzt betritt Bundesaußenminister Sigmar Gabriel den Saal. Er geht ganz nach vorne zu seinem Platz und bekommt in der SPD inzwischen allein dafür Standing Ovations. Applaudierender Schulz-Effekt für den Ex-SPD-Vorsitzenden.
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Nach einem Lob für den sozialdemokratischen Politik-Anteil in der Groko der vergangenen Jahre geht Weil zum Generalangriff über. Einen „spürbaren Rechtsruck“ attestiert Weil CDU und CSU. Es gebe ein rhetorisches Dauergewitter, das den Leuten in den Hintern trete, die sich täglich für Integration einsetzten. „CDU und CSU übernehmen immer stärker Stichwörter von der AfD. Das ist nicht gut für die Demokratie“, kritisiert Weil und spottet über die „scheinbar drohende Islamisierung der norddeutschen Tiefebene“. In den schweren Träumen der Union wimmele es nur so von Burka-Trägerinnen.
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Gute Nachrichten für die Genossen hat Weil auch noch im Gepäck. Er präsentiert eine vom SPD-Landesverband in Auftrag gegebene Forsa-Umfrage. Wäre heute Bundestagswahl, bekäme die SPD demnach 35 Prozent, die CDU läge bei 36 Prozent. Bei einer Landtagswahl wäre es genau umgekehrt. Die SPD liegt demnach in Niedersachsen vorne (alle Zahlen hier). Für Rot-Grün würde es dennoch nicht reichen. Das liegt vor allem an den Grünen, die jetzt auch in Niedersachsens ins Bodenlose abstürzen. Sie liegen nur noch bei acht Prozent; in der letzten Umfrage im Januar waren es noch 14.
Nach Weil kommt der SPD-Spitzenpolitiker, der heute noch zum Spitzenkandidaten gewählt werden soll: Thomas Oppermann aus Göttingen. Seine Rede, gehalten zwischen dem kämpferischen Weil und Rhetorik-Meister Gabriel ist kaum der Rede wert. AfD: gefährlich; Leitkultur: brauchen wir nicht. Von der Leyen und de Maiziere: können es nicht. Steuergerechtigkeit: mehr davon. Managergehälter: weniger davon. Schon im zweiten Absatz der Rede von Sigmar Gabriel kann man sich an Oppermanns Auftritt nicht mehr erinnern.
Wie man einen Saal voller Genossen rockt, beweist dann einmal mehr der ehemalige Vorsitzende der SPD, Sigmar Gabriel. Das geht auch mit Außenpolitik. „Ich bin kein Pazifist, bin nie einer gewesen“, sagt Gabriel. Aber zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Bundeswehr auszugeben, hält er für „Irrsinn“. Das wären schließlich über 70 Milliarden Euro mehr. „Wo sollen wir denn hin mit den ganzen Flugzeugträgern, die wir dann bauen? Wir kommen die Elbe ja nicht mal mit dem Containerschiff hoch“, spottet Gabriel unter dem Gelächter der Delegierten. Jubel gibt es für seine Forderung, lieber mehr Geld in die Entwicklungshilfe zu investieren. „Allein das Militär hilft nicht. Es braucht mehr Geld für humanitäre Hilfe und Entwicklungshilfe. Nicht nur, damit von dort keine Flüchtlinge kommen. Sondern aus Menschlichkeit, aus Anstand, aus Solidarität.“ Die Halle jubelt.
Die anschließende Listenwahl ist Gabriel gar nicht wichtig. „Ein Bundestag, den ich nicht direkt gewinne, dem will ich auch nicht angehören“, sagt er, und da blitzt wieder Gabriels Überheblichkeit durch, die ihm schon so oft im Weg stand. Aber auch bei den 177 Genossen scheint die Listenwahl keine große Bedeutung mehr zu haben. 65 Plätze werden auf einen Rutsch gewählt. Die meisten Stimmen (175) bekommt Marcus Seidel aus Einbeck, die wenigsten (169) Daniela de Ridder aus Lingen. Der Spitzenkandidat Thomas Oppermann erhält 171 Stimmen. Häkchen dran. Die SPD ist startbereit für den Wahlkampf.