Doppelpass: Lauter Streit trotz großer Einigkeit im Landtag
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius hat den CDU-Beschluss zur doppelten Staatsbürgerschaft scharf kritisiert. In einer Landtagsdebatte sprach Pistorius von einer Lösung für ein nicht existierendes Problem. „Mit diesem Beschluss versucht die CDU, zu einem vermeintlich konservativen Profil zurückzukehren, und das zu Lasten der vielen gut integrierten jungen Menschen mit ausländischen Wurzeln. Dabei geht es vor allem um Effekthascherei und darum, Wählerstimmen am rechten Rand zurückzugewinnen“, sagte Pistorius und sprach von einem Affront gegenüber vielen jungen Menschen. Es sei möglich, sich als Bürger eines anderen Landes gleichzeitig als Deutscher zu fühlen. „Die doppelte Staatsbürgerschaft ist keine Bedrohung oder ein Integrationshindernis, wie manche in der Union das suggerieren.“
„Die Angst vor den Rechtspopulisten treibt Sie so sehr, dass Sie dieselben Ausgrenzungsmechanismen an den Tag legen“, sagte Christos Pantazis, migrationspolitischer Sprecher SPD-Fraktion, an die Adresse der CDU. Mit dem Beschluss habe die CDU die politische Mitte gen rechts verlassen. Der Staat solle Menschen, die bikulturell aufwachsen, dagegen als Chance begreifen und in ihnen zukünftige Brückenbauer zwischen den Kulturen sehen. „Der heutige gesellschaftliche Zusammenhalt wird durch Anstand und Haltung und weniger durch Ausgrenzung und Spaltung gesichert“, sagte Pantazis und forderte die CDU auf, den „nun verfolgten Weg in die wahltaktisch geprägte Populismus-Falle“ zu verlassen.
https://soundcloud.com/user-385595761/so-lief-der-landtags-zoff-um-den-doppelpass
Auch Grüne und FDP im Landtag übten Kritik am CDU-Beschluss. „Sie verunsichern auch alle übrigen Menschen im Land, denen Sie weismachen wollen, dass sich mit der doppelten Staatsangehörigkeit gerade ein wahnsinnig relevantes Problem auftut! Das ist es nämlich nicht“, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Anja Piel. Und der innenpolitischer Sprecher der FDP im Landtag, Jan-Christoph Oetjen, sieht die doppelte Staatsbürgerschaft vor allem als Ausdruck gesellschaftlichen Fortschritts. Er kritisierte die Argumentation der Doppelpass-Befürworter, man könne nicht Diener zweier Herren sein. „Ist es das, was wir wollen? Wollen wir nicht vielmehr Menschen in einem Land, die vor allem loyal zur Demokratie stehen?“, fragte Oetjen.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von www.easel.ly zu laden.
CDU-Generalsekretär Ulf Thiele gab in der Debatte an, auf dem Parteitag gegen den Beschluss gestimmt zu haben. Thiele sprach von einer Schaufensterdebatte. „Ich halte nichts davon, alte Schlachten zu schlagen. Und die Menschen, die davon betroffen sind, haben auch ein Anrecht auf Verlässlichkeit.“ Dennoch gebe es auch beachtliche Gegenargumente gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. „Es gibt in einzelnen Fällen Konflikte mit der Wehrpflicht, es gibt Konflikte im Familienrecht, es gibt das Problem des doppelten Wahlrechts in zwei Staaten, es gibt zum Teil erkennbare Probleme bei der Auslieferung von Straftätern mit Doppelpass und es gibt auch Loyalitätskonflikte“, zählte Thiele auf, dessen Rede immer wieder von Fragen und Zwischenrufen aus den Reihen von SPD und Grünen unterbrochen wurde. Als Beispiel nannte er die Demonstration von bis zu 40.000 Menschen in Köln für den türkischen Staatschef Erdogan. „Wenn zehntausende deutsche Staatsbürger das legitime deutsche Demonstrationsrecht dazu gebrauchen, jemanden in der Türkei zu unterstützen, der dort gerade Demokratie und Rechtsstaatlichkeit abschaffen will, dann stellt sich die Frage, ob das eigentlich mit der Loyalitätspflicht vereinbar ist oder ob es da nicht doch einen Konflikt gibt“, sagte Thiele.
Lesen Sie auch: