Entgegen dem Bundestrend ist die Zahl der Badetoten in Niedersachsen im vergangenen Jahr gesunken. Doch nach Einschätzung der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) stellt das nur eine Momentaufnahme dar. „20 Prozent der Kinder, die die Grundschule verlassen, können nicht schwimmen“, warnt DLRG-Präsidentin Ute Vogt und fordert die Politik zum Handeln auf. „Schwimmunterricht findet in den Schulen kaum noch ordnungsgemäß statt. Es gibt kein Bundesland, in dem das Schwimmen nicht in den Lehrplänen steht. Das Problem liegt aber in der Umsetzung, weil entweder Badeflächen oder Lehrkräfte fehlen“, kritisiert Vogt.

Die DLRG-Präsidentin fordert eine Gleichbehandlung des Schwimmunterrichts mit anderen Schulfächern. „Wir müssen sicherstellen, dass das Schwimmenlernen genauso zur Basisbildung gehört wie das Lesen, Schreiben und Rechnen. Wenn ein anderer Unterricht ausfällt, sagt man auch nicht einfach: Das ist eben so“, ärgert sich die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete. Niedersachsen bilde unter den Bundesländern dabei keine Ausnahme. „Es ist längst nicht mehr überall Schulschwimmen möglich“, bestätigt DLRG-Sprecher Christoph Penning vom Landesverband Niedersachsen, der mit fast 100.000 Mitgliedern bundesweit der größte ist. 60 bis 70 Prozent der Fünftklässler könnten nicht sicher schwimmen, haben also nicht mindestens das Bronze-Abzeichen (Freischwimmer), berichtet Penning.
Dass die Zahl der Schwimmbäder kontinuierlich sinkt, während der Personalmangel bei Schwimmmeister und -lehrer steigt, macht die Lage nicht besser. „Wir sind immer noch dabei, die Corona-Lücken zu schließen und Bäderschließungen reißen wieder neue Lücken auf“, sagt Vogt. Aus Sicht der DLRG-Präsidentin ist das Problem systembedingt: „Es fehlt an einer strukturierten Bäderplanung.“ So sind im Bäderatlas der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen zwar alle 962 Schwimmbäder in Niedersachsen verzeichnet. Eine gemeinsame Bäderstrategie von Bund, Land und Kommunen für diese Bäder gibt es allerdings nicht. Vogt vermisst etwa ein Programm, um „weiße Flecken“ bei der Bäderversorgung zu schließen. „Wir brauchen ein Förderprogramm, dass das Geld nicht nur zufällig den Kommunen gibt, um eine Bädersanierung umzusetzen“, fordert die DLRG-Präsidentin. Zudem müsse der bundesweite Sanierungsstau in den Schwimmbädern mit erhöhtem Nachdruck abgearbeitet werden – das Gegenteil sei jedoch der Fall. „Die Bäderförderung des Bundes ist leider reduziert worden und es sind so viele Anträge vorhanden, dass das Geld quasi schon verplant ist“, betont Vogt.

In Niedersachsen fordert die CDU eine Neuauflage des Sportstättensanierungsprogramms, mit dem die alte Landesregierung den Kommunen zwischen 2019 und 2022 insgesamt 100 Millionen Euro zur Verfügung stellte. Alt Teil „unserer Investitionsplanung wollen wir ein weiteres Sportstätteninvestitionsprogramm auflegen“, heißt es zwar auch im Koalitionsvertrag von SPD und Grünen. Mit dem im vergangenen Jahr aufgelegten 30-Millionen-Euro-Programm zur energetischen Sportstättenmodernisierung bleibt Rot-Grün jedoch bislang hinter den Erwartungen zurück. Weitere 1,7 Millionen Euro hat das Land für die „Schwimminitiative Niedersachsen“ zur Verfügung gestellt, durch die vor allem die Ausbildung von Übungsleitern für den Schwimmunterricht vorangetrieben werden soll. „Die Fähigkeit, Schwimmen zu können, ist essentiell für Kinder in ganz Niedersachsen“, betont Innenministerin Daniela Behrens (SPD).
Das Geld soll teilweise auch für den Einsatz von mobilen Wasserbecken verwendet werden, um mehr Unterrichtszeiten zu ermöglichen. Damit kommt die Landesregierung auch einem aktuellen Antrag der CDU-Landtagsfraktion entgegen, die den Einsatz von Schwimmcontainern nach dem Vorbild von Nordrhein-Westfalen fordert. Im Nachbarbundesland werden in einem Modellprojekt alte Seefrachtcontainer mit dem Standardmaß von zwölf mal drei Meter so umgebaut, dass sie mit Wasser gefüllt und als Lehrschwimmbecken genutzt werden können. Die mobilen Einheiten verfügen außerdem über eine Heiz- und Filteranlage sowie über Umkleidekabinen und Sanitäranlagen. In Niedersachsen hat es ähnliche Vorhaben bereits gegeben. „Das hat schon in der Aufarbeitung der Corona-Zeit sehr gut funktioniert, war aber für uns Ehrenamtliche ein sehr hoher Aufwand“, sagt DLRG-Sprecher Penning und hofft hier auf Entlastung durch das Land. Zudem stellt er klar: „Das kann nur ein Zusatzangebot sein, aber kein Schwimmbad ersetzen.“


