Niedersachsens Europaministerin Birgit Honé warnt vor einem sogenannten kalten Brexit – also einem EU-Ausstieg Großbritannien ohne weitreichende Regelungen. „Selbstverständlich wird Niedersachsen von den Folgen eines Brexits betroffen sein. Großbritannien ist schließlich unser zweitgrößter Handelspartner“, erklärte Honé am Mittwoch in Hannover.

Eigentlich müsste das Auto in die andere Richtung fahren: Fast 300 Briten wurden 2016 in Niedersachsen eingebürgert – Foto: tanaonte

Derweil steigt die Zahl der Briten, die sich in Niedersachsen einbürgern lassen. Im Jahr 2016 schnellte die Zahl um fast 370 Prozent nach oben. Ließen sich im Jahr 2015 noch 63 britische Staatsangehörige einbürgern, waren es im Folgejahr schon 295. Für das vergangene Jahr gibt es noch keine landesweiten Zahlen. Es ist zumindest die Tendenz zu erkennen, dass die Zahl weiter steigen könnte. In Oldenburg stieg die Zahl der eingebürgerten Briten im Jahr 2017 von 9 auf 14, in Osnabrück von 11 auf 34. In Braunschweig wurden 2017 insgesamt 21 Einbürgerungsanträge gestellt – fünf mehr als im Vorjahr.

Im Jahr 2016 haben 477 Personen einen Staatsangehörigkeitswechsel erlebt. Von diesen 477 haben 298 eine deutsche Staatsbürgerschaft angenommen, davon 11 Personen aus dem Vereinigten Königreich.

 

https://soundcloud.com/user-385595761/niedersachsens-europaministerin-keine-sanktionen-uber-fordermittel

Die Einbürgerungen sind nur ein Zeichen für möglicherweise gravierende Veränderungen. Das niedersächsische Europaministerium hat beispielhaft aufgelistet, welche Folgen ein kalter Brexit für Niedersachsen konkret haben könnte – hier eine Auswahl:

Arbeitsmarkt:

Für britische Staatsangehörige würden dieselben Einreise- und Aufenthaltsregelungen gelten wie für alle anderen Nicht-EU-Bürger. Das gilt natürlich auch für die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Für bestimmte Berufe könnte die automatische Anerkennung des Berufsabschlusses wegfallen.

Schüler- und Studentenaustausch:

Vom Förderprogramm Erasmus+ könnten britische Hochschulen nicht mehr profitieren. Schulen in Großbritannien könnten zudem nicht mehr an geförderten strategischen Schulpartnerschaften teilnehmen. Auch Projekte zum Schüleraustausch bekommen kein Geld mehr aus dem Erasmus+-Programm.


Lesen Sie auch:

Harter Brexit hätte spürbare Folgen für die Agrarbranche

EU-Politiker Lange blickt mit Skepsis auf die USA, mit Zuversicht auf China


Harmonisierungsregelungen:

Klingt sperrig, könnte aber zu einer gigantischen Handelshürde werden. Innerhalb der EU sind zahlreiche Standards etwa bei der Technik oder der Lebensmittelherstellung vereinheitlicht. Großbritannien kann nach dem Brexit eigene Standards und Grenzwerte festlegen – sowohl bei seinen eigenen als auch für importierte Waren. Diese könnten von den anderen EU-Staaten nicht anerkannt werden. Im schlimmsten Fall wäre der Handel mit manchen Produkten nicht mehr möglich.

Krankenversicherung:

Die Regelung der europäischen Krankenversicherungskarte würde entfallen. Das bedeutet: Bei Aufenthalten in Großbritannien wird gegebenenfalls eine private Krankenversicherung benötigt.

Agrar- und Ernährungsgüter:

Es drohen höhere Zölle, die gerade Niedersachsen treffen könnten. Großbritannien ist nach den Niederlanden das zweitwichtigste Zielland für Agrarexporte aus Niedersachsen. Im Jahr 2016 wurden von hier aus Güter im Wert von 822 Millionen nach Großbritannien exportiert.


Und am Sonntag? Niedersachsen am Sonntag. Der neue kostenlose Newsletter des Politikjournals Rundblick. Gleich hier abonnieren.


Zusammenarbeit der Polizei:

Der Informationsaustausch über Europol würde entfallen. Die Möglichkeit von gemeinsamen Ermittlungsgruppen oder spezialisierte Einheiten zur Bekämpfung von Verbrechen würde entfallen.