Die Landeshauptstadt bekommt einen Grünen-Politiker als Oberbürgermeister. In der Stichwahl entschieden sich am Sonntag 52,9 Prozent für den Landtagsabgeordneten Belit Onay. 47,1 Prozent stimmten für Eckhard Scholz, der für die CDU antrat. Ein Kommentar von Martin Brüning.

Zunächst einmal: eine falsche Entscheidung konnten die Wähler in Hannover an diesem Sonntag eigentlich nicht treffen. Zur Auswahl standen zwei Kandidaten mit hoher Reputation, die das in einem fairen Wahlkampf, der streckenweise auch Beobachtern Spaß machte, belegten. In Erinnerung könnte dabei ein Foto in sozialen Medien, das Belit Onay in einem Tretboot auf dem Maschsee zeigte. Darunter war zu lesen: „Eckhard Scholz gefällt das“.

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Ein fairer Zug in einem fairen Wahlkampf, in dem kein Kandidat unter die politische Gürtellinie ging und der in politisch teilweise aufgewühlten Zeiten vorbildlich war. Auch hier konnte Hannover seinen Vorteil als entspannte Großstadt einmal mehr ausspielen.

Belit Onay am Wahlabend im hannoverschen Rathaus – Foto: MB.

Unter dem Ergebnis des Stichwahl-Sonntags werden wohl weder die hannoversche CDU als auch Eckhard Scholz selbst den „Gefällt mir“-Button klicken. Die Wahlniederlage der Volkspartei, die nach 70 Jahren SPD-Oberbürgermeistern eine wirkliche Chance auf den Posten im Rathaus hatte, kommt nicht von ungefähr. Sie ist nicht allein mit einem Trend zu den Grünen samt „Fridays for Future“-Unterstützung und einem starken Gegenkandidaten zu erklären. Auch hausgemachte Fehler haben dazu geführt, dass man in Hannover schon wieder auf der Verliererseite steht. Viele kleine Fehler summieren sich am Ende eben dann doch zu einem großen.

Es begann bereits holprig als herauskam, dass Scholz als Präsident des Fußball-Clubs Eintracht Braunschweig gehandelt wurde. Eigentlich eine Petitesse, aber ein unglücklicher Start für einen Kandidaten ausgerechnet in Hannover. Auch der Plan, mit einem ehemaligen Chef von Volkswagen Nutzfahrzeuge einen Macher zu präsentieren, war von Beginn an fragwürdig. Nicht nur, weil die Führung eines Unternehmens sich deutlich von der Führung einer Verwaltung unterscheidet, sondern auch, weil gerade Volkswagen in den vergangenen Jahren kein Paradebeispiel für gute Führung gewesen ist. Und ein ehemaliger VW-Manager, der sich im Wahlkampf für den Radverkehr einsetzt, steht auch nicht gerade an der Spitze der Glaubwürdigkeit.


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Dass Scholz in vielen Veranstaltungen ein wenig hölzern herüberkam, war ein weiterer Minus-Punkt auf der Negativ-Liste des CDU-Kandidaten. „Ich habe das Gefühl, dass mit Mirko Slomka und Jan Schlaudraff etwas Gutes entsteht“, sagte Scholz im Juni zum Thema Hannover 96. Nicht nur da hat er sich geirrt.

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Ein Kandidat ohne Schwächen war Belit Onay auch nicht. Ihm fehlt es an Verwaltungserfahrung, und seine Stärke in der Moderation unterschiedlicher Interessen ist zugleich seine Schwäche, weil er in seinen Aussagen auch immer wieder einmal gerne ein Stück zurückrudert oder schwammig bleibt. Dennoch war er der glaubwürdigere Kandidat mit dem stärkeren Profil. Vielleicht ist das ohnehin eine derzeitige Stärke der Grünen. Ihr Weg ist klar, auch wenn er nicht jedem gefallen mag.

Der politische Bauchladen der CDU, ein bisschen mehr ÖPNV und Radwege hier, dabei nicht die Autos vergessen noch eine intelligente Verkehrssteuerung oben drauf klingt nach einem Programm für alle. Aber es gilt eben auch: „Everybody’s darling is everybody’s Depp“, wie Franz Josef Strauß gesagt hätte.

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Die autofreie Innenstadt, die Onay in seinem Wahlkampf propagiert hat, wird kommen, wenn auch unter Abwägung aller Interessen und nicht von einem Tag auf den anderen. Mit Onay hat Hannover nicht nur den ersten Grünen-OB in einer norddeutschen Großstadt. Auch ein Stadtoberhaupt mit Migrationshintergrund steht der Landeshauptstadt gut zu Gesicht. Die Entscheidung zeigt, dass Hannover eine weltoffene, moderne Großstadt ist. Dieser Oberbürgermeister ist für das Image der Stadt schon ein Gewinn, bevor er überhaupt sein Büro im Rathaus bezogen hat.

Leicht wird er es dennoch nicht haben. Die Sozialdemokraten, die immer noch die größte Fraktion im Rat stellen, werden ihre Macht nicht kampflos hergeben. Und auch Onay wird daran arbeiten müssen, dass er nicht bei allen Entscheidungen „Everybody’s darling“ sein kann. Dies wird er lernen müssen, wenn er ein starker OB einen starken Landeshauptstadt sein will. Hannover wäre es zu wünschen.