Die Zahl der Direktwahlen von Bürgermeistern und Landräten, die zeitgleich mit der Kommunalwahl am 12. September sein werden, übersteigt die Zahl 200. Etliche kommunale Verwaltungschefs müssen sich bewähren oder bekommen einen Nachfolger – überall im Land laufen die Vorbereitungen für die Wahlen. Der größte Landkreis Niedersachsens, der sich gar nicht so nennen darf, zählt mehr als eine Million Einwohner. Und das Büro des Landrats, der so auch nicht genannt werden darf, wird von November an einen neuen Bewohner bekommen. Es geht um die Region Hannover und den Regionspräsidenten. Amtsinhaber Hauke Jagau (SPD) tritt nach 15 Jahren in diesem Amt nicht erneut an. Wer wird ihm folgen?

Die drei Kandidaten trafen beim Arbeitgeberforum im Schloss Herrenhausen aufeinander – Foto: Axel Herzig

Vor dem „Arbeitgeber-Forum Hannover“, einer Veranstaltung des Arbeitgeberverbandes Niedersachsenmetall, sind jetzt drei Kandidaten für die Jagau-Nachfolge aufgetreten und haben miteinander diskutiert. Es sind Steffen Krach (41), bisher Wissenschafts-Staatssekretär im Land Berlin, gebürtiger Hannoveraner und Politologe als Kandidat der SPD, Christine Karasch (52), Juristin und Umwelt- und Baudezernentin der Region als Bewerberin der CDU und Frauke Patzke (50), ebenfalls Juristin und derzeit Referatsleiterin in der Kulturabteilung des Wissenschaftsministeriums in Hannover.

Im Gespräch mit Rundblick-Chefredakteur Martin Brüning haben die drei einen Einblick gegeben in ihre Pläne, ihr Selbstverständnis und ihre Besonderheiten. Eine Vorhersage der Wahlchancen übrigens fällt außerordentlich schwer. Einerseits war der Posten des Regionspräsidenten bisher immer in SPD-Hand, aber schon bei Jagaus letzter Wiederwahl wurde es knapp, der damalige CDU-Bewerber Axel Brockmann rückte nah an ihn heran.

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Die Grünen galten bisher immer abgehängt als dritte Kraft, doch der Sieg von Belit Onay bei der hannoverschen OB-Wahl 2019 hat gezeigt, welche starkes Potenzial die Partei vor allem in der Landeshauptstadt hat. Und die CDU? Sie litt jahrzehntelang unter einer organisatorischen Schwäche im sozialdemokratisch geprägten Hannover, aber auch hier hat die OB-Wahl 2019 gezeigt, dass sie inzwischen auch vor der SPD rangieren kann.

Das Gespräch mit Martin Brüning wies für alle drei Kandidaten Besonderheiten auf:

Steffen Krach ist als jüngster Bewerber vermutlich der Kandidat mit der größten Erfahrung und Gewandtheit im politischen Geschäft. Er beherrscht die Bühne, spricht von Visionen und bleibt allgemein genug, um nicht auf zu konkrete Details festgenagelt zu werden. Er lobt die guten Voraussetzungen, gute medizinische Angebote und wissenschaftliche Einrichtungen, um im nächsten Schritt die bessere Vernetzung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu fordern.

SPD-Kandidat Steffen Krach – Foto: Axel Herzig

Die Region Hannover solle zum Vorbild entwickelt werden. Neue Potenziale für erneuerbare Energie sollten erschlossen werden, es komme auf die Ambitionen an, den Willen zu gestalten. Krach präsentiert sich als jung, entschlossen und tatkräftig. In der Verkehrspolitik plädiert er für sichere Planungszeiten, die eine entscheidende Voraussetzung für die Attraktivität des ÖPNV seien – ohne Verlässlichkeit würden die Menschen nicht auf Busse und Bahnen umsteigen. Damit beweist Krach eine Portion Pragmatismus, die er in der für ihn eher fremden Kommunalpolitik dringend benötigt.

Christine Karasch sagt, dass es ihr leid tue, immer diejenige zu sein, die schöne Pläne und Konzepte an der Realität messen müsse. Aber sie verwandelt den vermeintlichen Nachteil, schon in der Regionsverwaltung Verantwortung zu tragen und damit das Bestehende zu verteidigen, gekonnt in einen Vorteil. Karasch kann konkret werden, etwa in der Verkehrsdebatte. Sicher jongliert sie mit Zahlen.

CDU-Kandidatin Christine Karasch – Foto: Axel Herzig

Die Grünen-Forderung nach weniger Auto- und mehr Radverkehr sei unrealistisch, wenn man betrachte, dass der Ausbau der Buslinien im ländlichen Raum stagniere, dass für 170.000 Pendler von den Rändern der Region nach Hannover nur 7000 Park-and-Ride-Plätze an den Bahnhöfen bereitstünden. Hier zeigt Karasch, dass sie fit in den Planungsdaten ist. An der Art ihrer Vorstellung merkt man ihr die Verwaltungserfahrung an. Sie ist der Typ Verwaltungsexpertin, ohne als ein „Typ Bedenkenträgerin“ herüberzukommen.

Frauke Patzke spürt, dass gerade in der Kommunalpolitik die typisch grünen Themen – weniger Autoverkehr, mehr Ökologie und Klimaschutz im Bauen, mehr erneuerbare Energien – gerade „in“ sind. Sie bekennt sich sehr klar dazu und zeigt mit dem Spruch, dass die Hälfte der in der Regel zurückgelegten Strecken der Menschen unterhalb von fünf Kilometern bleibe und daher mit dem Rad bewältigt werden könne, vielleicht auch mit dem E-Rad, dass sie vor allem das Kernklientel ihrer Partei ansprechen will.

Grünen-Kandidatin Frauke Patzke – Foto: Axel Herzig

Parkflächen sollten Dächer mit Solarzellen bekommen, auf einigen kahlen Flächen im Deister könnten Windkraftanlagen entstehen, deren Erträge sollten auch dem Klimaschutz und den Waldbauern zugutekommen. Während Krach politisch redegewandt auftritt und Karasch mit ihrer Verwaltungskenntnis überzeugt, sind es bei Patzke die oft kurzen, klaren Ansagen, mit denen sie Eindruck erzeugen will.

Das Fazit nach einer guten halben Stunde Diskussion: Keiner der drei Bewerber sticht so richtig heraus, keiner fällt auch hinter den anderen zurück. Das sind ideale Voraussetzungen für eine spannende Entscheidung bei der Wahl am 12. September.

Schafft keiner der Kandidaten dann im ersten Anlauf mehr als 50 Prozent, so stehen sich zwei Wochen später, am Tag der Bundestagswahl, die beiden Bestplatzierten in einer Stichwahl gegenüber. (kw)