Cornelia Höltkemeier, Rechtsanwältin und Geschäftsführerin der Landesvereinigung Bauwirtschaft, hat ihre Einstellung zur Frauenquote im Laufe der Jahre geändert. Früher war sie eher dagegen – heute aber gilt sie als Befürworterin. Wie ist dieser Wandel zu erklären? Die Juristin äußert sich im Interview mit dem Politikjournal Rundblick.

Setzt auf den „erzieherischen Aspekt“ der Frauenquote: Managerin Cornelia Höltkemeier. – Foto: kw

Rundblick: Was halten Sie eigentlich von der Quote?

Höltkemeier: Wenn Sie mich vor 20 Jahren gefragt hätten, wäre meine Antwort so ausgefallen: Die Kriterien für die Auswahl von Personen für wichtige Positionen sollen Kompetenz, Eignung und Leistung sein. Als Frau möchte ich daran gemessen werden – und nicht am Geschlecht. Die Leute sollen mich wahrnehmen als jemand, der seine Ämter seinen Fähigkeiten verdankt und nicht der Förderung des weiblichen Geschlechts. Ich möchte doch nicht freundlich belächelt werden als eine Quotenfrau.


Lesen Sie auch:

Frauenquote: CDU diskutiert heftig über eigene Pläne

FDP-Generalsekretärin: „Ich bin gegen ein Paritätsgesetz“


Rundblick: Aber das ist heute nicht mehr Ihre Meinung?

Höltkemeier: Nein. So sehr ich nach wie vor verstehe, dass gut ausgebildete Frauen in wichtigen Positionen sich nicht durch eine Quote diskreditiert sehen wollen, so sehr muss ich doch erkennen, dass die guten Beispiele oft auf besonderen Bedingungen beruhen: Nehmen Sie meinen Fall: Meine erste Stelle hatte ich bei einem Dachverband des niedersächsischen Handwerks und saß im Bewerbungsgespräch zwölf älteren Herren gegenüber. Aber ich hatte das Glück- sie haben sich für mich entschieden. Und später haben mir diese Herren, maßgeblich war Kurt Rehkopf, der damalige Präsident des Niedersächsischen Handwerkstages, ermöglicht, nach der Geburt meiner ersten Tochter ein halbes Jahr Elternzeit zu nehmen. Es waren diese Männer in leitenden Positionen, die mir vertraut haben, Berufsausübung und Familienzeit unter einen Hut zu bringen. Sie haben sich dann auch darauf eingelassen, die Stelle zeitweise im Jobsharing-Modell mit einer hervorragenden Kollegin zu erfüllen. Wenn ich nun zurückblicke, muss ich sagen: Weil es in meinem Fall immer gut gegangen ist, gibt es doch ganz viele andere Beispiele, in denen Frauen eben nicht auf Verständnis stießen und keine Chance bekamen. Ich kann von meinem beruflichen Werdegang nicht auf die Entbehrlichkeit der Quote schließen.

Ich kann von meinem beruflichen Werdegang nicht auf die Entbehrlichkeit der Quote schließen.

Rundblick: Weshalb sind Sie heute für die Quote?

Höltkemeier: Mich hat es aufgerüttelt, als 2014 über die Einführung einer Quote in Aufsichtsräten diskutiert wurde. Die Kritiker traten so haarsträubend und holzschnittartig auf, dass ich fast die Ohren angelegt hätte. Die schwächelnde Konjunktur, meinten manche, erlaube doch derzeit noch keine Quote. Aha, habe ich gedacht, sollten die Frauen also schlechter wirtschaften können als die Männer? Das wurde von den gleichen Herren so gesagt, denen ich zugetraut hatte, dass sie zuhause ihre Töchter zu selbstbewussten, gut ausgebildeten Frauen erziehen wollen.

Rundblick: Welche Vorteile hätte aus Ihrer Sicht die Quote?

Höltkemeier: Erstens natürlich die  „Entscheidungshilfe“: Wenn ad hoc eine leitende Stelle besetzt werden muss, sollte bei gleicher Qualifikation von männlichen und weiblichen Bewerbern die Frau den Vorzug genießen. Das ist sinnvoll für eine stärkere Repräsentanz der Frauen in leitenden Funktionen. Aber diese Seite der Quote ist nicht mein Hauptargument. Vor allem bringt die Quote etwas, das ich einen „erzieherischen Aspekt“ nennen würde: Verbände, Organisationen, Unternehmen oder auch Parteien müssen sich bei Vorhandensein der Quote stärker bemühen, frühzeitig Ausschau nach qualifizierten Frauen zu halten. Dazu ein Beispiel: Ich war früher im NDR-Rundfunkrat tätig, und es galt schon damals die Regel, dass jede Organisation abwechselnd einen Mann und eine Frau benennen muss – jeweils für eine fünfjährige Amtsperiode. Es gab eine sehr relevante gesellschaftliche Gruppe, deren Namen ich hier nicht nenne, die regelmäßig ausführlich begründete, sie habe keine geeignete Frau in ihren Reihen. Die Energie, die für diese Darstellung aufgewendet wurde, hätte man lieber einsetzen sollen für die Suche nach einer Kandidatin. Mittlerweile hat auch diese Gruppierung dazugelernt und eine geeignete Frau nominiert – aber die Beharrlichkeit der früheren Argumentation zeigte altes Denken. Nur eine Quote, wie sie damals schon im NDR galt, bewirkte mittelfristig eine Änderung des Verhaltens.

Verbände, Organisationen, Unternehmen oder auch Parteien müssen sich bei Vorhandensein der Quote stärker bemühen, frühzeitig Ausschau nach qualifizierten Frauen zu halten.

Rundblick: Also die Quote als Indikator für gesellschaftliche Rückständigkeit?

Höltkemeier: Durchaus. Die Quote kann einen Schubs geben, die überkommenen Verhaltensmuster anzupassen – und so etwas wie eine strategische Personalplanung zu beginnen. Man sollte schauen, wer in mittlerer Zukunft wichtige Aufgaben übernehmen kann. Und dann sollte man diese Frauen aufbauen und überlegen, welche Verbesserungen der Rahmenbedingungen möglich sind, damit sie sich „trauen können“ – auch mit Familie. In meiner Generation wurden immer nur die Frauen angeschaut bei der Frage: „Wie bekommt man das hin – Karriere und Familie?“ Wir müssen aber dahinkommen, dass sich die gesamte Gesellschaft für diese Fragestellung verantwortlich fühlt. Dazu gehören nicht nur die Partner der Frauen – Hausarbeit ist das vieldiskutierte Stichwort – sondern auch die Chefs und Chefinnen der Frauen in Politik, Verwaltung und Unternehmen.

Rundblick: Täuscht der Eindruck, oder sind nicht Männer fordernder und energischer, wenn es um die Karriereplanung geht?

Höltkemeier: Es ist bestimmt so, dass Frauen selbstkritischer sind, auch ungern scheitern wollen. Sie tragen Konflikte anders aus, nicht so lautstark wie viele Männer. Viele gehen keinen Kampf ein, wenn sie meinen, dieser sei sowieso aussichtlos. Aber wenn diese Unterschiede vorhanden sind, dann können wir das doch nicht einfach hinnehmen und es als gottgegeben ansehen. Es ist eine Führungsaufgabe für die Kultur in Unternehmen, Verwaltung und Politik, die Rahmenbedingungen so zu verbessern, dass auch für Frauen die Karriereplanung möglich ist: Flexiblere Arbeitszeit, die auch Kinderbetreuung erlaubt, Teilzeitangebote auch für leitende Positionen beispielsweise.

Rundblick: Und die Politik? Brauchen alle Parteien eine Quote nach dem Reißverschlussverfahren: Auf jeden Mann auf der Liste muss eine Frau folgen?

Höltkemeier: Die Politik muss für diesen Wandel der Gesellschaft doch eine Vorreiterrolle übernehmen. Es mag ja sein, dass es für Führungsaufgaben in einem Bauunternehmen nicht genügend Frauen gibt, da zu wenig ausgebildete Ingenieurinnen verfügbar sind. Aber für die Politik gilt das sicher nicht, da gibt es von vornherein mindestens so viele geeignete Frauen wie Männer. Es kommt eben auch hier darauf an, dass man sie animiert, sich zur Verfügung zu stellen, dass die Bedingungen stimmen. Da kann eine Quote sehr hilfreich sein.