…startete vor drei Jahren nicht unbedingt als Überfliegerin in ihrem Amt, doch inzwischen hat sie sich viel Anerkennung erworben. In ihrem Ressort muss sie seit längerem viele Spannungen aushalten, die Interessen der verschiedenen Lager stehen sich oftmals diametral entgegen. Weil sie die Dinge, von denen sie spricht, aber aus eigener Erfahrung kennt, gelingt es ihr immer besser, die zerstrittenen Lager an einen Tisch zu bringen und die gesellschaftlichen Gräben ein wenig zuzuschütten. Die Niedersächsin des Monats heißt…

Foto: ML/Timo Jaworr

…Barbara Otte-Kinast (CDU) und steht als Niedersachsens Landwirtschaftsministerin vor der äußerst schwierigen Aufgabe, „die Landwirtschaft in der Mitte der Gesellschaft zu verankern“.  So steht es festgeschrieben im Koalitionsvertrag von SPD und CDU. Doch diese Aufgabe war vermutlich nie schwerer zu bewältigen als in der aktuellen Zeit. Die Entfremdung zwischen städtischer und ländlicher Bevölkerung scheint immer größer zu werden. Umweltverbände fordern, dass mehr für den Erhalt der Artenvielfalt und zum Schutz der Gewässer getan werden muss. Der Lebensmitteleinzelhandel drückt die Preise.

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EU-Agrarsubventionen förderten zuerst Masse statt Klasse und schwenken nun um auf zusätzliche Öko-Standards. Die Nutztierhaltung soll radikal umgebaut werden. Tiertransporte sind verpönt. Die Corona-Pandemie hinderte zuerst Erntehelfer an der Einreise und sorgte dann immer wieder zur Schließung von Schlachthöfen. Die Landwirtschaft steht also unter einem kaum vorstellbaren Druck von allen Seiten. Zeitgleich zersplittert das Lager der Landwirte immer mehr und wird vielstimmiger – eine neue Bauernbewegung fährt regelmäßig mit ihren Traktoren vor und fordert, nun auch endlich gehört zu werden.


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Für die Menschen, die zwischen all diesen Gegensätzen versuchen, einfach Landwirtschaft zu betreiben und dabei ihr Familienunternehmen zu erhalten, möchte sich Otte-Kinast einsetzen. Und das tut sie mit Herzblut und aus großer Überzeugung. Denn sie weiß, wie es dort aussieht, sie kommt selbst aus einem landwirtschaftlichen Familienbetrieb. Besonders aufgefallen ist diese emotionale Verbundenheit im Oktober-Plenum des niedersächsischen Landtags, als die Ministerin über die dramatische Lage der Schweinehalter berichtete, die aufgrund der Corona-bedingten Engpässe in den Schlachthöfen nicht mehr weiterwüssten. Otte-Kinast versuchte ihre Tränen zu unterdrücken, die ihr am Ende aber doch übers Gesicht liefen.

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Die Landwirtschaftsministerin versteht sich aber keineswegs als Vertreterin allein für die Landwirtschaft, sie verlangt auch den Bauern und ihren Verbänden durchaus einiges ab. Sie möchte, dass die Kontrahenten wieder lernen, den Blickwinkel des jeweils anderen einzunehmen.


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Gemeinsam mit ihrem Kabinettskollegen Umweltminister Olaf Lies (SPD) hat sich Otte-Kinast daher auf den „niedersächsischen Weg“ begeben, und hat dabei das Landvolk und die Landwirtschaftskammer genauso mitgenommen wie den Nabu und den BUND. Das Format des „niedersächsischen Weges“ ist ungewöhnlich, weshalb er mehr als einmal zu scheitern drohte. Doch bislang scheint es so, als könne es gelingen.

Eine Ministerin geht ungewöhnliche Wege

Weil ihr diese neue Arbeitsweise so gut gefällt, will Otte-Kinast das Modell jetzt auch für ihr nächstes Anliegen anwenden: den Gesellschaftsvertrag für die Landwirtschaft. Neben Agrar- und Umweltverbänden sollen daran noch weitere gesellschaftliche Akteure beteiligt werden, etwa die Kirchen oder Nichtregierungsorganisationen. Am Ende steht da auch noch der Lebensmitteleinzelhandel auf ihrer Liste – ein straffes Pensum. Vorgelegt hat sie für ein solches Dialogformat bereits vor gut einem Jahr mit einer ungewöhnlichen Veranstaltung in ihrem Hause.

Damals veranstaltete sie das erste Barcamp in einem Ministerium. Es sollten noch weitere solcher Veranstaltungen im ganzen Land folgen, Corona machte ihr aber einen Strich durch die Rechnung, es folgte nur ein digitales Format. Allerdings: Otte-Kinast lässt sich nicht abbringen von ihrem Weg, der durchaus mal ungewöhnliche Pfade einschlägt. Für diesen Mut, stets Neues auszuprobieren, und die Leidenschaft, die sie dabei an den Tag legt, ernennt die Rundblick-Redaktion Ministerin Barbara Otte-Kinast zur Niedersächsin des Monats. (nkw)