Rüstungsexporte: Was Bischof Meister von der Landesregierung erwartet
In dieser Woche berät der Landtag über einen Antrag der Grünen, die von der Landesregierung ein starkes Engagement gegen Rüstungsexporte aus Niedersachsen in Krisenregionen erwarten. SPD und CDU wollen den Vorstoß ablehnen. Einem Antrag der AfD, Waffenlieferungen an die Türkei auszusetzen, will die Landtagsmehrheit ebenfalls nicht folgen. Auch die evangelische Landeskirche in Hannover sieht die Rüstungsexporte kritisch. Im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick äußerte sich Landesbischof Ralf Meister zu dieser Frage.
Rundblick: Herr Meister, in der hannoverschen Landeskirche wird seit Jahren über Rüstungsexporte diskutiert. Hat das Thema in der Öffentlichkeit ausreichend Gewicht?
Meister: Nein. Seit unserer Synodentagung 2016 in Osnabrück setzen wir uns dafür ein, dem Thema Frieden die nötige Aufmerksamkeit zu verschaffen. Das klappt nur bedingt. Dabei habe ich den Eindruck, dass dieses Thema angesichts der aktuellen Gegebenheiten an Brisanz noch gewonnen hat. Ich nenne mal drei Beispiele: Erstens führt das Auftreten der Trump-Regierung in den USA dazu, dass der Druck zur Anhebung des deutschen Verteidigungsetats zunimmt. Ein größerer Etat heißt aber auch eine erhöhte Rüstungsproduktion – mit allen Folgen. Zweitens wird bei Rheinmetall in Unterlüß, also in Niedersachsen, über die Nachrüstung der Leopard-II-Panzer diskutiert, die besonders für die Türkei als Abnehmer wichtig ist. Dort geschehen Rüstungsgeschäfte also vor unserer Haustür. Drittens sollten wir uns häufiger klar machen, worin die Ursache der weltweiten Flüchtlingsbewegungen steckt, die uns dauerhaft beschäftigen: es sind vor allem Kriege in den verschiedenen Regionen, die Menschen bewegen, ihre Heimat zu verlassen.
Rundblick: Aber es gibt doch klare Regeln, die den Rüstungsexport etwa in Krisenregionen ausschließen…
Meister: Ich habe Zweifel, dass das alles gut organisiert ist. Ein Beispiel: Warum liegen Rüstungsexport und Rüstungskontrolle nicht in einer Hand? Beides müsste im Außenministerium angesiedelt sein. Es macht für mich keinen Sinn, dass für Rüstungsexport das Wirtschaftsministerium zuständig ist. Worin liegt denn die besondere Bedeutung der Exportförderung in diesem Bereich? Export von Kriegswaffen ist kein wirtschaftspolitischer Akt, sondern hat dieselbe Dimension wie die Androhung von Gewalt. Das Außenministerium, das über die auswärtigen Beziehungen Deutschlands wacht, sollte dafür zuständig werden.
Kriterium sollte Menschenrechtslage sein
Rundblick: Die Bedrohung nimmt auch zu, damit auch der Wehretat des Bundes…
Meister: Ja, aber was mich nachdenklich stimmt, ist das Auseinanderfallen von Verteidigungs- und Entwicklungshilfeetat. Die Nutznießer des Rüstungsexports, in nenne mal Saudi-Arabien, sind bisher nicht aufgefallen als diejenigen Regionen, die sich weltweit mit Friedensaktivitäten besonders hervorgetan haben. Das entscheidende Kriterium für die Genehmigung von Rüstungsexporten sollte die Menschenrechtslage im Empfängerland sein. Wer nun einwendet, dass es auch um die Sicherung von Arbeitsplätzen in der Rüstungsindustrie geht, dem muss ich entgegnen: Der Erhalt von Menschenleben und die Konfliktvermeidung liegen ethisch eindeutig über der Sicherung von Arbeitsplätzen.
Rundblick: Also ein klares Nein zu Rüstungsexporten von Ihnen?
Meister: Ich bin nicht kategorisch gegen Rüstungsexporte. Aber es muss eine Begründungspflicht dafür geben. Wenn die Exporte der Förderung des Friedens dienen, sind sie vertretbar. Wenn nicht, dann nicht.
Der Erhalt von Menschenleben und die Konfliktvermeidung liegen ethisch eindeutig über der Sicherung von Arbeitsplätzen.
Landesbischof Ralf Meister
Rundblick: Welche Erwartungen haben Sie an die Landesregierung in Niedersachsen?
Meister: Wir haben mit Rheinmetall in Unterlüß einen großen Rüstungsproduzenten bei uns im Land. Die Landesregierung sollte eine öffentliche Debatte über die Rüstungsexporte fördern. Es geht um die Verantwortung: Dient das, was dort hergestellt wird, dem Frieden und der Entwicklung in der Region, in die es geliefert wird? Oder dient es nur geopolitischen Interessen, die nicht den Frieden und die gute Entwicklung der Bevölkerung im Sinn haben?
Rundblick: Wird das Thema bisher von der Landesregierung eher verschwiegen?
Meister: Jedenfalls hat die Diskussion über Rüstungspolitik nicht die Plattform, die sie braucht. Es geht immerhin um Kriegsgerät. Wenn irgendwo ein Leopard-II-Panzer im Einsatz ist, etwa in der Türkei oder Saudi-Arabien, müssen wir begründen können, warum er dorthin geliefert worden ist. Wir brauchen eine offene und kritische Debattenkultur zu dieser Frage – ich erlebe sie leider noch nicht.
Striktes Verbot für Weiterverkauf
Rundblick: Was ist mit den Kleinwaffen, mit Pistolen und Gewehren?
Meister: Hier bin ich für ein striktes Exportverbot. Wenn wir den Verteidigungsetat stärken und damit auch die Rüstungsproduktion, dann dient das der Nato und den EU-Partnern, sicher. Aber was ist, wenn es daneben dritte Abnehmer gibt, die aktuell 60 Prozent der Exporte ausmachen? Wer garantiert, dass sie die wirklichen Empfänger sind und die Waffen nicht einfach weiterverkauft werden? Was die sogenannten „Endverbleibskontrollen“ für diese Waffen bedeuten, können wir gerade beim heute beginnenden Prozess vor dem Landgericht in Stuttgart erleben. Dort geht es darum, dass G-36 Sturmgewehre aus Deutschland, von Heckler & Koch – vermutlich durch Mitarbeiter des Unternehmens – in eine Unruheprovinz nach Mexiko gelangt sind, wo ein klares Exportverbot bestand. Deshalb sollten wir ein striktes Verbot verhängen, damit nicht an vielen Orten auf der Welt leichtfertig deutsche Pistolen oder Schnellfeuergewehre gekauft werden können und in falsche Hände gelangen.