„Die Landespolitik lächelt das versprochene Milliarden-Programm für Kommunen einfach weg“
Marco Trips, Präsident des Städte- und Gemeindebundes in Niedersachsen, stellt eine wachsende Unzufriedenheit bei den Kommunalpolitikern mit der Arbeit der Landesregierung fest. Er hofft, dass die rot-schwarze Koalition bei der bevorstehenden Haushaltsklausur Zeichen setzen wird. Trips äußert sich im Interview mit dem Politikjournal Rundblick.
Rundblick: Herr Trips, vor knapp einem Jahr, bei der Mitgliederversammlung ihrer Organisation 2018, waren Sie voll des Lobes für die Landesregierung. War Ihr Optimismus verfrüht?
Trips: Wenn man darauf schaut, was man den Kommunen direkt versprochen hat, dann ist das so. Ich stelle nicht in Abrede, dass das Land beim Breitbandausbau, bei der Wohnraumförderung oder den Krankenhäusern gute Entscheidungen trifft, die – wie alles – in den Kommunen wirksam werden. Wenn wir jedoch darauf schauen, was den Kommunen für ihre eigene Arbeit versprochen worden ist, so macht sich Enttäuschung breit. Ich hatte seinerzeit aus dem Koalitionsvertrag zitiert. Dort heißt es auf Seite 122: „Die Koalition mobilisiert mit einem Investitionsprogramm für Kommunen in den kommenden fünf Jahren im Umfang von einer Milliarde Euro. Sie sollen für Projekte und Maßnahmen in den Bereichen Mobilität, Digitalisierung, Bildung und Erziehung, Wohnungsbau, Sport und Zusammenleben zur Verfügung stehen.“ Das war so angelegt, dass die Kommunen Geld für eigene Projekte erhalten sollten. Diese Zusage wurde bisher nicht eingehalten. Wenn wir nachhaken, werden uns alle möglichen anderen Landesprojekte vorgerechnet. So war das damals aber nicht gemeint. Die Investitionsmilliarde wird förmlich weggelächelt.
Die Enttäuschung ist so groß, weil wir nach der Nichtberücksichtigung bei der VW-Milliarde nun erneut bei einem Haushaltsüberschuss durchs Rost gefallen sind.
Rundblick: Wieso ist die Enttäuschung so groß?
Trips: Die Enttäuschung ist so groß, weil wir nach der Nichtberücksichtigung bei der VW-Milliarde nun erneut bei einem Haushaltsüberschuss von 860 Millionen Euro durchs Rost gefallen sind. Offenbar ist das Versprechen, die kommunale Investitionskraft für die Bürger vor Ort zu stärken, aus dem Fokus des Landes verschwunden. Und das, obwohl uns sowohl die Fraktionen und das Kabinett in Gesprächen versichert haben, dass hier noch etwas geschehen soll. Wir warten also weiter, denn auch der bundesweit mit 159 Milliarden Euro berechnete kommunale Investitionsrückstand besteht weiter.
Rundblick: Es gab doch aber jetzt, als der Haushaltsüberschuss für 2018 verteilt wurde, Geld für Sportstätten, Kindergärten und auch die Stadt Salzgitter…
Trips: Ja, das stimmt. Aber gerade das Vorgehen bei der Hilfe für Salzgitter hat uns im Städte- und Gemeindebund sehr überrascht. Dass dort erhebliche Probleme bestehen, ist unbestritten. Aber dass mit einer Pressemitteilung 50 Millionen Euro auf Zuruf und offenbar ohne gesetzliche Grundlage vergeben werden sollen, verwundert schon sehr. Wir haben für sehr viel kleinere Programme sehr viel mehr Abstimmung betrieben. Es gibt auch andere Kommunen, die kein Geld für Integration oder strukturelle Probleme bekommen und die sich fragen, ob hier die Gleichbehandlung gewahrt ist. Das Sportstättenprogramm hatten wir stets als ersten Schritt anerkannt, wir wären zufrieden, wenn wir weitere Schritte erkennen könnten. Dass die Milliarde sofort voll wirksam wird, erwarten wir ja gar nicht. Das Geld für die Kindergartenförderung ist nur das Einlösen einer längst getroffenen Vereinbarung.
Rundblick: Aber die Kindergartenfinanzierung, die ist doch gelungen – oder?
Trips: Was die Verwendung der Bundesgelder aus dem Gute-Kita-Gesetz angeht, sind wir auf einem ganz guten Weg, jedoch mit Bedenken: Wahrscheinlich wird es aus den Bundesmitteln noch Finanzhilfen für zusätzliches Personal geben. So sinnvoll das für die Kindergarten wäre – die Bundesmittel sind befristet, und die Gefahr ist dann groß, dass bei Ablauf der Bundesförderung die Kommunen auf den Personalkosten sitzen bleiben, weil dann Standards gesetzt sind, die die Eltern natürlich nicht wieder verlieren wollen. Ähnliches hatten wir schon mal beim „Bildungs-und Teilhabepaket“. Was die Konnexität für die Beitragsfreiheit angeht, werden wir die Abrechnung abwarten müssen.
Wir wollen nicht vom Wohlwollen von Land und Bund abhängig sein, wenn es um unsere Finanzen geht. Wir wollen an der Grundsteuer als eigene solide kommunale Einnahme festhalten.
Rundblick: Sie sprechen auch von fehlenden Geldern für die Integration. Wie meinen Sie das?
Trips: Wir haben einen Integrationsfonds von zehn Millionen Euro für etwa zehn besonders betroffene Kommunen, in denen sehr viele Migranten leben, die schon anerkannt sind. Daneben gibt es die Pauschale von 10.000 Euro für jeden Flüchtling für die Zeit bis zur Entscheidung über das Aufnahmeverfahren. Was fehlt, ist eine Unterstützung für jene Kommunen, die eben nicht besonders betroffen sind, aber die langwierige Aufgabe der Integration trotzdem erfüllen müssen. Hier gibt es Landesprogramme, etwa für die Sprachförderung, aber kein Geld für Gemeinden, die beispielsweise Sozialarbeiter oder Koordinatoren eingestellt haben. Auch hier erwarten wir noch ein Ergebnis der im Koalitionsvertrag zugesagten Prüfung der Landesregierung.
Rundblick: Was bewegt die Kommunen noch?
Trips: Sehr besorgt sind wir, dass man sich in Berlin bisher nicht auf ein Modell für die Grundsteuer verständigen kann. Endet das dort im Streit und kommt kein neues Gesetz bis Jahresende zustande, so fehlenden den niedersächsischen Kommunen jährlich 1,4 Milliarden Euro. Das ist die Summe, die alle Kommunen zusammen für freiwillige Ausgaben aufwenden – also für Spielplätze und Schwimmbäder beispielsweise. Wenn nun der stellvertretende Ministerpräsident über eine Beteiligung der Kommunen an der Einkommensteuer nachdenkt, sehen wir dies – abgesehen von der damit verbundenen Umverteilung und dem Zeitfenster – äußerst kritisch: Wir wollen nicht vom Wohlwollen von Land und Bund abhängig sein, wenn es um unsere Finanzen geht. Wir wollen an der Grundsteuer als eigene solide kommunale Einnahme festhalten.
Rundblick: 2020 fällt die Gewerbesteuerumlage weg. Dann verbessert sich die kommunale Einnahmesituation doch?
Trips: Das ist Geld, was den Kommunen damals für die Finanzierung der Deutschen Einheit abgezogen worden ist, und nun den kommunalen Kassen wieder zur Verfügung stehen soll. Wir haben eher Sorge, dass Finanzminister Reinhold Hilbers dann die Hand aufhalten will. Es verdichtet sich, dass die Hälfte dieser kommunalen Gelder in Höhe von 400 Millionen Euro über den Finanzausgleich abgeschöpft werden soll. Wenn das so kommen sollte, werden wir es nicht tatenlos hinnehmen.