Die Ideen-Expo: Ein Erfolg, der Folgen haben sollte
Darum geht es: Die Ideen-Expo ist gestern mit einem neuen Besucherrekord geendet. In der ganzen Republik hat die Technikschau für junge Menschen in diesem Jahr für Aufsehen gesorgt. Ein Kommentar von Isabel Christian.
Er habe Tränen in den Augen gehabt, als er am vorvergangenen Sonntag die „Tagesschau“ eingeschaltet hatte und die Ideen-Expo das Top-Thema der Nachrichten war. „Die überregionale Aufmerksamkeit, die unsere Messe in diesem Jahr bekommen hat, das war einfach überwältigend“, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Volker Schmidt kürzlich beim Treffen der lokalen Wirtschaft und Politik in Celle. Dort hatte er noch einmal für den Besuch auf der Technik- und Mitmach-Messe geworben. Doch in der Zielgruppe bedarf es offenbar kaum noch Werbung: Aus ganz Deutschland reisten in der vergangenen Woche Schulklassen an, um auf dem Messegelände in die spannende Welt der Technik einzutauchen. Seit ihrer Geburtsstunde 2010 ist die alle zwei Jahre organisierte Ideen-Expo beständig gewachsen, sowohl in der Präsentation wie auch in der Resonanz.
Etwa 400.000 Besucher zählten die Veranstalter in diesem Jahr. Es ist ein Erfolg, der die Politik nachdenklich machen sollte. Schaut man sich einmal in Niedersachsens Klassenzimmern um, so ist der Unterricht in den Naturwissenschaften weitgehend noch derselbe wie vor 20 Jahren. Vorn steht der Lehrer, malt komplizierte Zeichnungen und Zahlenfolgen an die Tafel, vor den Schülern liegen Bücher, manchmal sogar auch schon ein Tablet. Doch wer was lernen will, muss zuhören. Wer nicht zuhört, verliert schnell den Anschluss und damit auch das Interesse. Schaut man sich dagegen auf der Ideen-Expo um, so ist das Bild ein ganz anderes. Da sitzen zehnjährige Mädchen stundenlang an einem Baukasten und löten mit Hingabe eine kleine elektrische Apparatur zusammen. 14-jährige Jungs stehen mit Schutzbrille am Hochofen und schmelzen Metall. Und eine Gruppe Achtklässler diskutiert, wie man erneuerbare Energien noch effizienter nutzen könnte. Das sind dieselben Kinder, die nach der fünften Stunde aus dem Physikunterricht kommen und sagen, Physik sei „voll doof“.
Nun sind auf der Ideen-Expo nicht die Lehrer die Wissensvermittler, sondern Menschen, die sich an den anderen 357 Tagen im Jahr nur mit ihrem Fachgebiet beschäftigen. Und es gibt so viele von ihnen, dass nicht ein einzelner Experte einer ganzen Klasse sein Thema näherbringen muss, sondern jedes Kind an den Stand gehen darf, der ihm gerade am meisten interessant erscheint. Und dann ist da noch das Geld. Hauptsponsor der Ideen-Expo ist Niedersachsen-Metall, ein Bündnis aus mittlerweile zwölf Arbeitgeberverbänden, die unterschiedliche Bereiche der Industrie abdecken. Sie alle haben ein Interesse daran, Nachwuchs frühzeitig für sich zu interessieren – und geben sich deshalb spendabel. So viele Exponate kann eine Schule gar nicht bezahlen.
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Und doch gibt es etwas Wichtiges, das die Politik aus dieser Veranstaltung lernen kann. Dass Wissenschaft Spaß macht und machen soll. Natürlich ist es einfacher, acht Tage lang ein Fest der Wissenschaft zu feiern, als langfristig den Spaß an Informatik, Biologie und Mathematik in den Unterricht zu integrieren und hochzuhalten. Doch genau das sollte der Anspruch sein, wenn man bei den Kindern die Flamme der Begeisterung, die auf der Ideen-Expo entzündet wurde, nicht gleich wieder löschen will. Menschen lernen am besten durch Erfahrung, das ist hinreichend bestätigt. Im Deutschunterricht werden Geschichten geschrieben, im Englischunterricht Konversationen geführt. Im Chemieunterricht rechnet man dagegen mit dem Periodensystem der Elemente und in Mathematik werden Gleichungen für theoretische Probleme aufgestellt. Das ist richtig und wichtig, gerade als Grundlage. Aber ein Kind, das die Welt vor der Schulzeit durch sehen, hören und anfassen kennengelernt hat, wird sich dabei zwangsläufig langweilen.
Natürlich gibt es auch in den Schulen Experimente und Exkursionen. Doch den Lehrern bleibt angesichts eines straffen Lehrplans und Lehrkräftemangels nur wenig Zeit für Erlebnisunterricht. Das muss sich ändern. Schule existiert nicht, um Kinder zu beschäftigen, sondern um ihnen die Welt zu erklären. Doch was hilft es einem 13-Jährigen, wenn er Parabeln berechnen kann, aber keine Ahnung hat, wozu man das braucht? Sicher wird es ihn nicht dazu verleiten, später ein Ingenieursstudium für Flugzeugbau zu beginnen. Doch genau dort wollen Politik und Wirtschaft doch hin. Schüler sollen Interesse an den Naturwissenschaften entwickeln, um später solche Berufe zu ergreifen. Dann muss man aber auch dafür sorgen, dass die Naturwissenschaften ihnen von Anfang an Spaß machen. Wie das geht, kann man von der Ideen-Expo lernen.