Die große Chance des Bernd Althusmann
Die große Chance des Bernd Althusmann Am kommenden Wochenende hat Bernd Althusmann, seit einem knappen halben Jahr Landesvorsitzender der Niedersachsen-CDU, eine besondere Bewährungsprobe zu bestehen. Es zeigt sich, wie gut er die Partei zu führen und womöglich auch zu modernisieren versteht.
Mehrere wichtige Termine stehen an. Erst tagt am Freitag der Landesvorstand, dann die sogenannte „Kurfürstenrunde“, womit die acht Bezirksvorsitzenden der Landespartei gemeint sind. Einen Tag später dann, am Sonnabend, kommt die Landesvertreterversammlung zusammen – und im Ergebnis sollen dann zwei sorgfältig austarierte Landeslisten herauskommen: eine für die Bundestagswahl am 24. September, eine für die Landtagswahl am 14. Januar 2018. Das oberste Ziel lautet, den innerparteilichen Frieden möglichst nicht zu gefährden – also die Zahl derer, die wegen eines nicht so guten Listenplatzes enttäuscht sind, möglichst in Grenzen zu halten. Da geht es um viel Fingerspitzengefühl, Überzeugungskraft und Geschicklichkeit.
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Zeitgleich mit der CDU entscheidet auch die SPD, allerdings wird bei den Sozialdemokraten zunächst nur die Bundestagsliste aufgestellt, die zur Landtagswahl folgt dann erst im Herbst. Die SPD hat es auch bedeutend einfacher, im Grunde steht die Liste schon, angeführt wird sie von Bundestags-Fraktionschef Thomas Oppermann aus Göttingen. Auch über das System wird nicht mehr diskutiert, Männer und Frauen wechseln sich auf jedem Platz ab, es gilt strikt die Quote. Bei der CDU ist das bedeutend schwieriger, denn die Partei hat zwar eine Regel, das sogenannte Quorum, und die Parteiführung dürfte sich auch daran halten. Angeraten wird, mindestens jeden dritten Platz einer Frau zu geben.
Aber in der Union gärt es, der weibliche Teil der Partei wird zunehmend unruhiger – denn die Drittel-Regel widerspricht dem deutlich höheren Frauenanteil in der Gesellschaft, sie wird zunehmend als diskriminierend empfunden. Als im März der 80. Geburtstag der früheren Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth gefeiert wurde, verkündete die Jubilarin: „Es wird Zeit für ein Reißverschluss-Verfahren in unserer Partei.“ Gemeint ist damit nichts anderes als die praktische Quote – auf jeden Mann folgt eine Frau, auf jede Frau ein Mann.
Die Frauen-Union in Niedersachsen (FU), Vereinigung der CDU-Frauen, nimmt Süssmuths Rat auf. Schon im Januar hatte der FU-Vorstand eine Quote verlangt. Jetzt sagt die Vorsitzende, Ute Krüger-Pöppelwiehe, gegenüber dem Rundblick: „Wir bleiben am Ball. Selbst wenn sich das Ziel, auf jeden zweiten Platz eine Frau zu setzen, jetzt nicht vollständig umsetzen lässt, halten wird daran fest.“ Und sie fügt hinzu: „Die Frauen-Union würde sich freuen, wenn Bernd Althusmann hier ein Zeichen setzen könnte.“
Aber wie soll das aussehen? Über zwei Varianten wird intern spekuliert. Die erste wäre, von der Regel abzuweichen, dass nur Kandidaten mit Wahlkreis einen guten Listenplatz erhalten. Da sich in den 87 Wahlkreisen nur 16 Frauen bewerben, kämen selbst bei Anwendung der Drittel-Regel spätestens ab Platz 50 nur noch Männer zum Zuge, sofern man dann nicht Frauen ohne Wahlkreise aufstellen würde. Mehrere Frauen ohne Wahlkreis haben sich schon zur Bewerbung bereiterklärt, unter anderem die frühere FU-Landesvorsitzende Eva Möllring.
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Die zweite Möglichkeit für Althusmann, ein Zeichen für die Modernisierung der CDU zu setzen, bestünde in der Aufreihung der ersten, besonders begehrten Listenplätze. Was wäre, wenn das von Süssmuth und anderen geforderte „Reißverschlussverfahren“ vielleicht für die ersten 10 oder 15 Listenplätze Anwendung fände? Das Signal, das die Niedersachsen-CDU dann in das Land und in die Bundespartei aussenden würde, wäre: Die Partei will Frauen stärker fördern. Ob es tatsächlich so kommt und die Liste überhaupt Wirkung entfaltet, ist schwer kalkulierbar. Bei der Landtagswahl 2013 zum Beispiel lag die CDU so klar vor der SPD, dass sie alle ihr zustehenden Mandate über die Wahlkreise errang und die Liste gar nicht zog. Je geringer am Wahltag der Abstand zwischen beiden großen Parteien ist, desto mehr Gewicht erhält die Liste – und desto bedeutsamer wird, wer auf den ersten Listenplätzen steht.
Vor ein paar Wochen, als der Schulz-Effekt die SPD aufstiegen ließ, wurde auch in der CDU angeregter über die Platzierung diskutiert. Das heißt: Auch viele ehrgeizige Männer möchten gern gute Listenplätze haben, jede Frau vor ihnen ist auch eine Konkurrentin. Da sind die Mitglieder der Fraktionsführung, die Spitzenkandidaten der Bezirke, die herausgehobenen fachpolitischen Sprecher oder Politiker mit hohen Parteiämtern – die meisten von ihnen sind Männer. Jeder Plan, die Frauenförderung auf der Liste zu verstärken, würde mit Ansprüchen von Männern kollidieren. Ob Althusmann trotzdem gegen solche Widerstände ein Signal setzen wird?
Die Landesliste für die Bundestagswahl, so heißt es in der CDU, ist nun weniger im Zentrum des Interesses, sie wird womöglich ähnlich aussehen wie 2013: Ursula von der Leyen an der Spitze, Michael Grosse-Brömer, Enak Ferlemann und Maria Flachsbarth könnten folgen. Bei der Landesliste für die Landtagswahl, die von Althusmann angeführt wird, dürfte ziemlich weit vorn Fraktionschef Björn Thümler landen. Aber vielleicht auf Rang drei statt Rang zwei, damit hinter Althusmann gleich eine Frau stehen kann?
Wie es heißt, haben einige Männer, die in der Fraktionshierarchie ziemlich weit oben stehen, in der Erkenntnis des großes Gedränges schon frühzeitig ihren Verzicht auf gute Listenplätze angekündigt – sie wollen ihre Wahlkreise unbedingt direkt gewinnen. Das gilt etwa für Bernd Busemann, den Landtagspräsidenten (der in einer wahren CDU-Hochburg antritt), aber auch für Reinhold Hilbers aus der Grafschaft Bentheim und für Klaus Krumfuß, den in seiner Heimat Alfeld sehr populären Vorsitzenden des Petitionsausschusses. Diese Vorgänge belegen: In der CDU gerät derzeit einiges in Bewegung. (kw)