Die Debatte der Woche…
…entzündete sich an einer Aussage der SPD-Co-Vorsitzenden Saskia Esken. Diese hatte behauptet, auch in deutschen Sicherheitsbehörden gebe es einen latenten Rassismus, sie erkennt gar ein strukturelles Problem der Polizei. Deshalb forderte Esken eine unabhängige Beschwerdestelle für solche Fälle. Anlass für die Äußerungen der Sozialdemokratin waren die Massendemonstrationen in Deutschland und in zahlreichen anderen Staaten auf der ganzen Welt, nachdem in der vorvergangenen Woche in den USA der Afroamerikaner George Floyd bei einem Polizeieinsatz getötet worden war.
In der anschließenden Debatte bildeten sich grob drei Lager:
Gruppe 1: „Ein Problem, aber kein strukturelles“
Die wohl größte Gruppe bildeten die gemäßigten Kritiker der Esken-Aussagen. Sie bemängelte die pauschale Verurteilung der Sicherheitsbehörden, gestanden dabei aber gleichwohl zu, dass es sehr wohl zu rassistischen Vorfällen auch in der Polizei kommen mag. Das Problem sei aber individuell und nicht strukturell. Diesem sehr heterogenen Lager gehören sowohl die Gewerkschaft der Polizei (GdP), die CDU, die SPD-Innenminister und auch manche SPD-Bundesminister wie etwa Justizministerin Christine Lambrecht an – und sogar die Linke-Bundestagsfraktion vertreten durch Dietmar Bartsch verteidigte die Beamten.
Niedersachsens GdP-Chef Dietmar Schilff erklärte etwa, es sei „richtig und wichtig“, die politischen Auseinandersetzungen über Rassismus, Polizeigewalt und Regierungshandeln in den USA auch auf unseren Straßen zu thematisieren. „Es gibt jedoch keinen Anlass, einen Zusammenhang mit der deutschen Polizei zu konstruieren.“ Dabei stellt Schilff heraus, dass es unbestritten auch in Deutschland rassistische Vorkommnisse gebe – auch bei der Polizei. Die Einschätzung, dass es sich dabei aber um „latenten, strukturellen oder gar institutionalisierten Rassismus“ handelt, wies Schilff deutlich zurück.
Zudem wird im Lager der gemäßigten Kritiker immer wieder auf die bereits vorhandenen Kontrollinstanzen verwiesen: die Legislative, die Justiz sowie Meldestellen auf Bundes- und Landesebene. Der polizeipolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Karsten Becker, erinnerte zudem an die neu eingerichtete „Forschungsstelle für Polizei- und Demokratiegeschichte“ an der Polizeiakademie Niedersachsen, sowie das Bildungsprojekt „Polizeischutz für die Demokratie“.
Gruppe 2: „Endlich sagt es mal jemand“
Eine etwas kleinere Gruppe pflichtete Esken bei und applaudierte ihr für diese Einschätzung und die klaren Worte – frei nach dem Motto: Endlich spricht es mal jemand aus. Zu diesem Lager zählen etwa die niedersächsischen Grünen sowie der linke Flügel innerhalb der SPD, vor allem die Jusos. Diese stimmten Esken zu und unterstützen die Forderung nach einer unabhängigen Kontrollinstanz. Bei Twitter schrieben sie: „Dass sich eine Behörde nicht selbst kontrollieren kann, ist kein Vorwurf, der die Polizei unter Generalverdacht stellt, sondern eine Tatsache! Eine unabhängige Instanz ist längst überfällig, um Opfer von Polizeigewalt und korrekte Beamt*innen zu schützen.“
Aber nicht nur aus Teilen der SPD, auch vom Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, gab es Zustimmung zu der Strukturproblem-These. Sofuoglu erinnerte etwa an die NSU-Morde, die zwar nicht aus der Polizei heraus begangen wurden. Er meint aber, dass damals vieles vertuscht worden sei und die Polizei mit Absicht und aus rassistischen Motiven bei den Ermittlungen „unsauber“ gearbeitet habe.
Gruppe 3: „Es gibt auch Rassismus gegen Deutsche“
Die dritte Gruppe verkehrte die Debatte ins Gegenteil. Anstatt über ein vermeintliches Strukturproblem mit Rassismus zu diskutieren, wurden die Polizisten und die Menschen ohne Migrationshintergrund als Opfer dargestellt. Genau genommen müssten diese beiden Positionen noch einmal unterschieden werden.
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So gibt es diejenigen, die die Polizei nun gegen Angriffe aus dem linksradikalen Spektrum verteidigen. Hier werden die Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel in Hamburg oder Attacken gegen Polizeibeamten am Rande von Anti-Rassismus-Demonstrationen als Beispiele herangezogen. Das fatale an dieser Argumentationsweise ist jedoch, dass hier ein mögliches Fehlverhalten auf der einen Seite mit einem Fehlverhalten auf der anderen Seite zu relativiere versucht wird.
Dabei entsteht dann auch die Schnittmenge zu denjenigen, die nun von einem „Rassismus gegen Deutsche“ sprechen. Ganz vorne mit dabei ist da die AfD. In der Debatte über strukturellen Rassismus in der Polizei bringt diese Argumentation allerdings niemanden weiter.