Die Debatte der Woche…
…kreist um die Frage, ob Kindesmissbrauch künftig von der Verjährung ausgeschlossen sein soll. Im Landtag hat es dazu in der vergangenen Woche eine heftige Debatte gegeben. Zwar entscheidet nicht der Landtag über diese Frage, denn es geht um eine Frage, die bundesweit geregelt werden müsste. Aber die Debatte über den Kindesmissbrauch, die schon im vergangenen Jahr rund um die Vorgänge auf dem Campingplatz in Lügde und um Versäumnisse beim Jugendamt des Kreises Hameln-Pyrmont hochkochte, spielt sehr stark auch in Niedersachsen.
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Im Landtag plant die Große Koalition, einen Sonderausschuss einzusetzen, der sich unter anderem mit der Reform der Zuständigkeiten der kommunalen Jugendämter befassen soll. In diesem Zusammenhang kocht auch die Verjährungsdebatte hoch.
Die Position der Befürworter einer Abschaffung der Verjährung
In der Landtagsdebatte haben sich sowohl Uwe Schünemann (CDU) als auch Wiebke Osigus (SPD) dafür ausgesprochen, die Verjährung bei Kindesmissbrauch abzuschaffen. Sie argumentieren so: Die Opfer von Kindesmissbrauch benötigen meist viele Jahre und Jahrzehnte, bis sie bereit sind, über ihr Leid zu sprechen und auch den Täter zu benennen. Damit werde auch klar, dass die Taten sie für ihr Leben gezeichnet haben und dass sie Verletzungen erlitten haben, die ihre Persönlichkeit stark beeinträchtigen. Insofern sei Kindesmissbrauch schon so etwas wie Mord, der einzigen Straftat, die nach deutschem Recht nicht verjähren kann. Für die Opfer müsse die Aufhebung der Verjährung bedeuten, dass sie nie fürchten müssen, ihre Peiniger juristisch belangen zu können – auch dann nicht, wenn sie sich erst sehr spät entschließen, das erlittene Leid offen zu benennen und die Täter anzuzeigen. Für die Täter heiße das, dass sie damit rechnen müssten, lebenslang für ihre Taten belangt werden zu können.
Die Position der Kritiker einer Abschaffung der Verjährung
Justizministerin Barbara Havliza erklärte im Landtag, sie sei bei dem Thema einer Abschaffung der Verjährung „gesprächsbereit“, betone aber, dass dieses Thema „juristisch komplex“ sei. So würden sich bei Aufhebung der Verjährung Folgefragen stellen – etwa mit Blick auf den Totschlag, der bislang verjährt, oder auch die Vergewaltigung. Es könnten Widersprüche entstehen. „Wer will zum Beispiel der 14-Jährigen erklären, dass ein Sexualverbrechen an ihr verjährt ist – bei ihrer 13-jährigen Freundin aber nicht?“ Außerdem, betonte Havliza, gebe es jetzt schon deshalb sehr lange Verjährungsfristen, weil diese erst mit dem 30. Lebensjahr des Opfers einsetzten. Die Verjährungsfrist könne dann unter bestimmten Umständen auf bis zu 40 Jahre verlängert werden.
Die Argumente der Skeptiker
Viele Skeptiker verweisen darauf, dass die Verjährung grundsätzlich ihren Sinn darin habe, dass mit wachsender Zeitspanne die Erinnerung von Zeugen und Opfer verblasse – und dass Beweismittel, etwa DNA-Spuren, verloren gehen können. Hinzu kommt der Umstand, dass bei sexuellem Kindesmissbrauch oft enge Verwandte der Opfer die Täter sind – der Vater, der Stiefvater oder der Onkel. Häufig wird die juristische Aufarbeitung im Schutz der Familie unmöglich oder erschwert. Es ist auch nicht immer so, dass alle geäußerten Vorwürfe zutreffend sind. Mit zunehmender zeitlicher Entfernung zwischen Tatgeschehen und Anzeige aber wird die juristische Aufarbeitung umso schwieriger.