Wie kann die CDU moderner werden? Wie kann man mehr Frauen für die Union gewinnen – und welcher Umgang mit der AfD ist angemessen? Annegret Kramp-Karrenbauer, Generalsekretärin der CDU, äußert sich dazu im Gespräch mit der Rundblick-Redaktion.

Rundblick: Frau Kramp-Karrenbauer, alle reden derzeit über die Reform der Parteiarbeit, über die Abkehr von alten Ritualen. Wie gehen Sie das Thema an?

Kramp-Karrenbauer: Wir starten mit der Diskussion über ein neues Grundsatzprogramm. Das alte kommt von 2007, das ist zwar noch nicht lange her. Aber damals gab es das I-Phone, das heute zu unserem Leben gehört, noch nicht. Und die Digitalisierung hatte längst nicht die Bedeutung wie heute. Der erste Schritt ist meine Zuhör-Tour. Ich reise durch das Land und besuche die CDU-Basis. Dabei will ich aufnehmen, was die Mitglieder der Partei bewegt. Daraus werden wir dann Leitfragen für die weitere Programmarbeit entwickeln. Auf diese Leitfragen werden wir dann zusammen mit den Mitgliedern Antworten finden.

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Rundblick: Müssen Sie auch die Organisationsformen ändern? Nicht für jeden ist die klassische Gliederung in Bezirks-, Kreis- und Ortsverbände attraktiv…

Kramp-Karrenbauer: Über unseren klassischen Aufbau sind wir tief in der Fläche verankert. Dabei wird es bleiben. Aber natürlich müssen wir auch über ergänzende neue Formen reden, etwa die sogenannten Online-Mitgliedschaften. Viele junge Menschen, die sich als Schüler der CDU anschließen und dann zum Studieren in eine andere Stadt ziehen, möchten uns verbunden bleiben – und das geht derzeit nur über die feste Bindung an einen Ort. Da müssen wir über andere Beteiligungsformen nachdenken. Das Engagement darf nicht daran scheitern, dass man das Mitglied nicht einem Verband klar zuordnen kann.

Rundblick: Was ist mit der Frauenförderung? Muss die CDU neue Wege gehen?

Kramp-Karrenbauer: Zunächst einmal müssen wir nüchtern ein Missverhältnis feststellen. In der Bevölkerung haben wir mehr als 50 Prozent Frauen, aber sowohl in der CDU-Mitgliedschaft wie in den Parlamenten sind die Frauen unterrepräsentiert. Eine Partei, die sich Volkspartei nennt, kann die Hälfte der Bevölkerung nicht in ihrer Programmatik und in ihren Repräsentanten ausblenden. Bislang haben wir das Quorum, das auf den Landeslisten unter jeweils drei Plätzen mindestens eine Frau vorsieht. Aber im Wahlrecht spielen die Listen nicht immer die entscheidende Rolle, weil zunächst die Wahlkreismandate auf die gesamten Mandate angerechnet werden. Deshalb hat das bisherige Modell der Frauenförderung, das Quorum, nicht überall die gewünschten Ergebnisse gebracht. Wir müssen also über neue Wege diskutieren.

Annegret Kramp-Karrenbauer auf Zuhör-Tour – hier in Sehnde in der Region Hannover – Foto: MB.

Rundblick: Was schlagen Sie stattdessen vor?

Kramp-Karrenbauer: In meiner Zuhör-Tour geht es auch darum, zu ergründen, was die Parteibasis darüber denkt. Und ich stelle fest, dass die Forderung nach mehr Frauen für Ämter und Mandate ganz oft geäußert wird – übrigens nicht nur von weiblichen Mitgliedern. Aber Frauenförderung ist mehr als nur die Regelung einer Quote, es geht auch um Inhalte. Bestimmte Fragen werden von Frauen einfach ganz anders bearbeitet und beantwortet als von Männern, etwa die Vereinbarkeit von Familie und Berufstätigkeit. Und ich stelle fest, dass vor allem junge Frauen wenig Neigung haben, in den Orts- und Kreisvorstandssitzungen immer die gleichen Sitzungsabläufe und Rituale zu erleben. Hier müssen wir aufpassen, dass die Parteiarbeit reizvoll bleibt.

Rundblick: Muss die CDU auch in den Inhalten neue Gewichtungen vornehmen?

Kramp-Karrenbauer: Die CDU ist ein Mix aus drei Strömungen – das Konservative, das Liberale und das Christlich-Soziale. Alles muss gleichermaßen sichtbar sein. Die Debatte über die Stärke der Strömungen führen wir beständig – ich habe es nach meinem Eintritt in die CDU Anfang der achtziger Jahre schon erlebt. Damals ging es um „mehr oder weniger Blüm“. Heute wird in der öffentlichen Wahrnehmung sehr viel über das Konservative gesprochen – wobei der Begriff selbst zum Beispiel im Raum Fulda ganz anders interpretiert wird als nur wenige Kilometer weiter in Wetzlar. Bei meiner Zuhör-Tour habe ich das gemerkt. Neben dem Konservativen dürfen die anderen Strömungen nicht vergessen werden.

Die Zuhör-Tour macht Station auf dem Guthshof Rethmar in Sehnde – Foto: MB.

Rundblick: Guckt die CDU zu sehr auf das, was die AfD macht und tut?

Kramp-Karrenbauer: Ich rate davon ab, sich am Auftreten anderer Parteien zu orientieren. Sicher, wir haben bei der Bundestagswahl fast eine Million Stimmen an die AfD verloren, diese Wähler wollen wir zurückgewinnen. Aber wir haben auch über eine Million Stimmen an die FDP verloren, und um diese Wähler bemühen wir uns genauso. Die von der AfD benannten Themen dürfen für uns nie ein Tabu sein, aber wir müssen auch klare Kante zeigen, wenn die AfD behauptet, das Erbe von Helmut Kohl zu vertreten. Die AfD-Europapolitik kann man mitnichten als Erbe von Kohl bezeichnen! In der AfD gibt es radikale Elemente des rechten politischen Rands, die geduldet oder sogar gefördert werden. Solches Gedankengut ist mit der CDU nicht vereinbar – und da werden wir weiter klare Kante zeigen.

Rundblick: Die CDU lehnt eine Zusammenarbeit mit Linkspartei und AfD ab. Aber was soll denn der Spitzenkandidat der Brandenburger CDU machen, wenn er nach der Landtagswahl nächstes Jahr nur die Wahl hätte zwischen Linkspartei und AfD als Koalitionspartner – weil alle anderen zu schwach sind?

Kramp-Karrenbauer: Wir haben zunächst das Ziel, dass die CDU stärkste Partei in Brandenburg wird und ein klares Programm für das Land anbietet. Ich verwende heute wenig Energien darauf, zu überlegen, welche Eventualitäten nach einem Wahlergebnis nicht eintreten könnten.