Am Sonntagnachmittag, als sich der deutliche Vorsprung der SPD vor der CDU abzeichnet, sieht man auf den Fluren der CDU-Landtagsfraktion lange Gesichter. So hatten sich viele das nicht gewünscht. Doch die Parteistrategen erkennen schnell, dass es an einem solchen Wahlabend zwei Wirklichkeiten gibt – die Stimmungslage und die Datenlage. Punkt 18 Uhr werden dann die ersten Zahlen der Prognose eingeblendet, und die sehen Stephan Weil mit seinen Sozialdemokraten schon deutlich vor der CDU.

„Keinen Grund, jetzt in Sack und Asche zu gehen“: Bernd Althusmann – Foto: KW

Der CDU-Fraktionssaal ist in diesem Moment bis zum letzten Platz gefüllt, und die Masse dort bricht, als das der schwarze Balken bei der CDU auf dem Fernsehschirm nach oben schnellt, in Jubel aus. Und das, obwohl das Wahlziel klar verfehlt wurde. So geschieht es dann ein zweites Mal, als die Grünen mit ihren Verlusten eingeblendet werden. Und wieder, als wenig später zunächst Noch-Fraktionschef Björn Thümler den Saal betritt. „Wir als CDU sind bereit, Verantwortung für das Land zu übernehmen.“

Dieses Angebot an die Sozialdemokraten, Juniorpartner in einer Großen Koalition zu werden, wiederholt eine Viertelstunde später, nach der ersten Hochrechnung, auch CDU-Landeschef Bernd Althusmann vor den Anhängern im Fraktionssaal. Er beglückwünsche Stephan Weil und die SPD, sagt Althusmann, aus dem Ergebnis würden sich „Verhandlungen für Niedersachsen ergeben“. Er habe sich ein besseres Resultat gewünscht, aber es gebe „keinen Grund, jetzt in Sack und Asche zu gehen“.

Die CDU sieht einen „klaren Gestaltungsauftrag“

Die CDU, sagt Althusmann, werde „politische Verantwortung für das Land tragen, in welcher Position auch immer“. Man habe „einen klaren Gestaltungsauftrag“. Die Anhängerschaft feiert ihn wie den eigentlichen Wahlsieger, dazu ist extra der frühere Landtagsabgeordnete und als Einpeitscher bekannte Georg Schirmbeck erschienen. Skandiert wird „Ber-nie, Ber-nie, Ber-nie…“ Gegen das doch eher bescheidene Ergebnis wird im Fraktionssaal demonstrative gute Laune verbreitet. Ähnliches geschieht dann um 21.15 Uhr, als Althusmann bei der zentralen CDU-Wahlparty im „Cavallo“ erscheint, begleitet von Frau und Kindern. Die Ursachen des Ergebnisses werde man „in den nächsten Tagen ausführlich besprechen“, verspricht er, aus Berlin sei „mancher Gegenwind gekommen“. Aber die CDU müsse „nicht in Sack und Asche gehen“. Der Ball zur Regierungsbildung liege „jetzt im Feld der SPD und von Herrn Weil“.

Das sollte aufmunternd klingen, in der Tat klatschen auch viele Anhänger, die in den kleinen Runden an den Stehtischen kurz zuvor ihre Enttäuschung kaum verbergen konnten. War der Wahlkampf richtig angelegt? Liegen die Fehler, Pannen und Unbeholfenheiten im Wahlkampf zuerst an Althusmann? Oder an der Landtagsfraktion? Während an den Tischen getuschelt wird, sind bereits die ersten Fakten geschaffen worden. Althusmann hat gegen 18.30 Uhr öffentlich verkündet, am Dienstag als neuer Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion kandidieren zu wollen. Das kommt relativ überraschend, denn Amtsinhaber Björn Thümler wäre das gern geblieben. Wie es heißt, befürwortet Thümler eine Aufteilung der Spitzenfunktionen – jedenfalls dann, wenn es am Ende doch noch Verhandlungen über eine Große Koalition geben sollte. Althusmann sieht es anders – und so bliebe für Thümler am Ende womöglich der Weg ins Landtagspräsidium als Vizepräsident. Unklar ist aber, ob Landtagspräsident Bernd Busemann neuer Landtagsvizepräsident werden will. Da der CDU nur einer dieser Posten zustünde, könnte es zum Machtkampf in dieser Frage kommen. (kw)