„Die Art, wie Olaf Lies seine Umweltpolitik ausgestaltet, liegt auf unserer Linie“
Der Landes- und Fraktionsvorsitzende der FDP, Stefan Birkner, will die Kooperation mit den Grünen in der Landtagsopposition verbessern. Außerdem blickt er schon weiter – und lotet mögliche Bündnisse nach der nächsten Landtagswahl aus. Dabei will er keine Variante voreilig ausschließen. Stefan Birkner äußert sich im Interview mit Isabel Christian.
AfD nicht systematisch benachteiligen
Rundblick: Herr Birkner, als Vorsitzender der FDP-Fraktion vertreten Sie im Landtag den Teil einer kleinen Opposition, die einer fast übermächtigen Regierungskoalition gegenübersteht. Muss man da nicht stärker auf die anderen Oppositionsparteien zugehen?
Birkner: Das geschieht ja bereits. Klar ist: Es gibt keine politische Zusammenarbeit mit der AfD. Zumindest auf Bundesebene wird diese Partei beherrscht von Kräften, die auch den Rechtsextremismus dulden – und wenn das so ist, fehlt die Basis für eine Kooperation. Wir wollen die AfD nicht systematisch benachteiligen, jedem stehen im Landtag die gleichen Rechte und Pflichten zu. Aber eine Kooperation gibt es für uns nicht. Bei den Grünen ist es anders. Hier prüfen wir auch gemeinsame politische Initiativen. Ein solcher Antrag betrifft die Freigabe von Cannabis. Wir möchten dazu ein Pilotprojekt starten – und denken, dass wir im Juni-Plenum des Landtags dazu einen gemeinsamen Vorstoß präsentieren können. Auch bei unserem Bemühen, die Minderheitenrechte im Landtag zu stärken, wirken wir eng mit den Grünen zusammen.
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Rundblick: Geschieht das vielleicht auch schon mit Blick auf die Konstellation nach der nächsten Landtagswahl im Jahr 2022?
Birkner: Natürlich ist es zu früh, schon mit Blick auf einen solch fernliegenden Termin zu planen. Aber richtig ist, dass wir uns dauerhaft darauf einstellen müssen, vielleicht Regierungsbündnisse nur in Dreierkonstellationen haben zu können – jenseits der ungeliebten Großen Koalition. Wir prüfen die Grünen auch unter diesem Gesichtspunkt: Was an den öffentlichen Einlassungen von Grünen-Politikern zur FDP ist nur Pulverdampf, also dem öffentlichen Wettbewerb der Parteien geschuldet, und wo sind ernste Vorbehalte, bei denen die Positionen tatsächlich weit auseinanderliegen? Das Substantielle müssen wir von den Profilierungsversuchen unterscheiden. Ich denke aber schon, dass wir eine ganze Menge an Trennendem haben – etwa in der Landwirtschafts-, der Umwelt- und der Naturschutzpolitik.
Sind inhaltliche Übereinstimmungen groß genug?
Rundblick: Und was ist mit den großen Parteien? In Betracht käme ja, theoretisch, eine Ampel-Koalition oder ein Jamaika-Bündnis…
Birkner: Ich bin da nicht festgelegt. Ich bin mit allen Parteien jenseits der AfD im Gespräch. Ob wir 2022 eine Ampelkoalition bekommen können? Offen gesagt: Das kann ich heute nicht beantworten. Eine vertrauensvolle Beziehung zu den Akteuren, die dann vermutlich in Betracht kommen können, besteht durchaus. Entscheidend aber sind die inhaltlichen Übereinstimmungen – und die Frage, ob diese groß genug sein können für eine gemeinsame Regierung. Das wird sicher am schwierigsten mit den Grünen…
Rundblick: Und mit der SPD? Was sagen Sie zur CDU?
Birkner: Die Art, wie Olaf Lies seine Umweltpolitik versteht, nämlich durchaus mit viel Verständnis für die wirtschaftlichen Belange, finde ich sehr gut. Das hat viel gemein mit unserer Herangehensweise. In der Sozial- und Gesundheitspolitik dürfte es dann mit den sozialdemokratischen Vorstellungen schon schwieriger werden. Was die CDU angeht, so war ich vor der Landtagswahl immer überzeugt, dass wir die größten Gemeinsamkeiten haben. Seit dem Start der rot-schwarzen Landesregierung bin ich mir da nicht mehr so sicher. Vor allem die Haushalts- und Finanzpolitik der Christdemokraten irritiert uns zunehmend.
Rundblick: Sind Sie enttäuscht oder wenigstens überrascht?
Birkner: Was Stephan Weil angeht, sicher nicht. Ich hatte ja damit gerechnet, dass er die Linie seiner rot-grünen Regierung fortsetzen will. Das geschieht nun, deshalb bleibt er den Erwartungen treu. Eher überrascht bin ich von der CDU. Sie lässt ein „Weiter so“ in vielen Bereichen zu, beispielsweise auch bei Volkswagen, wo man doch im Wahlkampf anderes versprochen hatte.
Ein Schwerpunktthema pro Jahr
Rundblick: Zurück zur FDP. Sie hatten erklärt, die Partei zur „programmatischen Avantgarde“ machen zu wollen. Was genau meinen Sie damit und wie sieht das konkret aus?
Birkner: Wir wollen vorausdenken und uns Themen widmen, die im politischen Alltagsgeschäft vielleicht schnell unterzugehen drohen. Dabei darf es durchaus auch kontrovers zugehen. Ein Jahr lang kann dann ein Thema immer einen Schwerpunkt bilden. Was dieses Jahr angeht, werden wir im Landesvorstand am 26. Mai darüber beraten, mehrere Themenkomplexe stehen bisher zur Auswahl – das Verhältnis von Stadt und Land, die Veränderung der Arbeitswelt mit der Digitalisierung, die Datensicherheit in Zeiten der Algorithmen oder die Pflege- und Gesundheitspolitik.
Rundblick: Die Parteibasis soll sich stärker mit Inhalten beschäftigen?
Birkner: Genau. Wir haben anders als in den vergangenen Jahren nun eine längere Phase, von der Europawahl abgesehen, in der nicht immer schon die Vorbereitung auf die nächste Wahl verlangt wird. Das gibt uns Freiraum, die Mitglieder in die inhaltlichen Debatten stärker einzubinden. Außerdem muss die FDP kampagnenfähiger werden – dazu wollen wir auch das Ehrenamt stärker von organisatorischen Aufgaben entlasten. Nicht zuletzt geht es auch darum, die Zahl der aktiven Frauen in der FDP zu erhöhen.