Von Jasmin Schönberger

Sie ketten sich an Gleise, errichten Blockaden, es gibt Zusammenstöße mit der Polizei: Bilder von zahlreichen jungen Menschen, die gegen die Castor-Transporte und die Atompolitik protestieren, gehen um die Welt. Doch die Bilder sind mehr und mehr Vergangenheit. Denn tatsächlich ist das Interesse der Jüngeren an der Atompolitik in den vergangenen Jahren stark gesunken. Bei einer Demonstration in Berlin blieben die meist über 50-Jährigen Gorleben-Aktiven kürzlich größtenteils unter sich, und der aktuelle Bericht der Endlagerkommission, in dem Gorleben weiter als Endlager-Standort im Spiel bleibt, löst bei vielen Jüngeren bestenfalls Achselzucken hervor.

Anti-AKW-Demos: Eher ein Thema der Generation 50 plus - Foto: simonkumm

Anti-AKW-Demos: Eher ein Thema der Generation 50 plus – Foto: simonkumm

Belegen lässt sich der Interessenschwund mit Zahlen. Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, bestätigt: Von den rund 1000 Mitgliedern der Initiative gehören viele der Generation 50 plus an, nach Jüngeren müsse man in den Akten schon länger suchen. Und auch bei der Grünen Jugend Niedersachsen rücken andere Themen in den Fokus, sagt die 23-jährige Sprecherin der Grünen Jugend, Imke Byl: „Viele Menschen sind mit dem Thema ‚Kampf gegen die Atomkraft‘ aufgewachsen, und für die meisten in meinem Alter war und ist es nach wie vor sehr prägend. Aber der Widerstand schwindet“, sagt sie und klingt dabei etwas verwundert. Der atomare Super-GAU in Fukushima im März 2011 und der anschließende Kurswechsel der von Angela Merkel (CDU) geführten Bundesregierung bezeichneten einen „Zeitpunkt X“, meint Byl. „Verstehen tun wir es nicht. Aber seitdem haben viele das Gefühl, dass das Thema unter Dach und Fach, und damit gesetzlich bald abgefrühstückt ist.“ Stattdessen berge das Fracking gerade den größeren Zündstoff und setze neue Mobilisierungskräfte frei, ähnlich wie früher einmal Gorleben.

„Das Problem ist uns bekannt“, bestätigt auch die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Miriam Staudte. „Viele Jüngere denken offenbar, dass das Thema bei den Älteren in ganz guten Händen ist und man die eigenen Energien woanders einsetzen kann.“ Da sei die Politik verpflichtet, entgegenzuwirken. „Wir müssen den Jungen klarmachen: ‚Wir brauchen euch wirklich noch.‘ Gerade auch, wenn man sich die Schrottmeiler in Belgien anschaut, der Rückbau von AKW wieder in den Vordergrund rückt und auch Gorleben immer noch nicht komplett vom Tisch ist. Kommende Generationen müssen das Thema aktiv begleiten. Und irgendwem müssen wir den Staffelstab ja übergeben“, erklärt Staudte. Um die Jugend wieder reaktivieren, wolle man nun eventuell ein Sommercamp oder einen Kongress an der Universität Lüneburg veranstalten.

Wolfgang Ehmke sieht trotz der geringen Mitgliederzahlen von Jüngeren kein generell schwindendes Interesse der Jugend an der Atomkraft. „Das hat was damit zu tun, dass junge Menschen sich generell lieber punktuell als langfristig engagieren“, meint Ehmke. Interessant sei es immer erst, wenn es ernst wird. Er vermutet, dass es sich nicht nur um ein Generationenproblem bei den Grünen handeln könnte, sondern um ein Problem ihrer Politik. „Wenn bei den Grünen das Interesse schwindet, dann müssen sie sich vielleicht selbst an die Nase fassen.“ Bei den Verhandlungen über den Bericht zur Endlagerkommission sei Niedersachsens Grünen-Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) zwar voll informiert gewesen und habe Kompromisse erzielt. „Aber das Ergebnis des Berichts hinterher als positiv zu bewerten – das hätte er sich sparen können“, sagt Ehmke. Dass allein die Parteipolitik Grund des Übels ist, glaubt der ehemalige umweltpolitische Sprecher der Linken im Landtag, Kurt Herzog, hingegen nicht. Er verteidigt Wenzels Auftreten sogar. „Wahrscheinlich war er gezwungen, das als Minister zu sagen, auch wenn er inhaltlich vielleicht nicht komplett mit dem Ergebnis des Berichts übereinstimmt. Aber es muss ja als Erfolg verkauft werden.“ Der Linken-Politiker ist sicher, dass das Thema Atompolitik aktuell bleibt: „Das beschäftigt Politik und die Menschen definitiv über die nächsten Jahrzehnte.“

Bei der Grünen Jugend will man in Veranstaltungen weiter über Gorleben und die Atompolitik informieren. Und spätestens, wenn Gorleben wider Erwarten doch als Endlager in die engere Auswahl kommt, rege sich garantiert der nächste Widerstand, glaubt die Vorsitzende.