DGB will neuen „Marshallplan für Europa“
Der DGB Niedersachsen-Bremen will diesmal zum 1. Mai sein Programm verändern: Ein konkretes Thema stehe im Mittelpunkt der landesweit mehr als 70 Kundgebungen, erklärte der Landesbezirksvorsitzende Mehrdad Payandeh: „Wir wollen wenige Wochen vor der Europawahl Flagge zeigen. Wenn es um Regeln für Urlaub, Arbeitszeit, Mutterschutz und Frauenrechte geht, ist die Initiative dazu sehr oft von der EU ausgegangen. Außerdem ist die Europäische Union eine Insel der Stabilität, der Freiheit und des Wohlstandes inmitten eines Ozeans der Unvernunft“, betonte der DGB-Vorsitzende.
Europa sei eine „Schicksalsgemeinschaft“ für viele Menschen. Es gelte, das Beste daraus zu machen. Kritisch beurteilt Payandeh die Position der deutschen Bundesregierung in der Diskussion um Reformen der EU-Institutionen, die der französische Präsident Emanuel Macron angestoßen hatte. „Leider müssen wir erkennen, dass in Deutschland sehr viele Bedenkenträger unterwegs sind. Es wäre gut, wenn die Bundesregierung stärker als Gestalter und weniger als Verhinderer in dieser Frage auftreten würde. Leute, die Einwände und Gegenargumente vortragen, haben wir doch schon genug.“
Payandeh für europäischen Zukunftsfonds
Konkret schlug Payandeh die Idee des „Europäischen Marshallplans“ vor, die er einst als Abteilungsleiter im DGB-Bundesvorstand selbst entwickelt hatte. Das Konzept sieht so aus, dass ein „Europäischer Zukunftsfonds“ eingerichtet wird, der Anleihen ausgibt und sich an Investoren wendet, große Unternehmen und Versicherungen beispielsweise. Das europäische Kapital solle mobilisiert werden für wichtige Zukunftsinvestitionen. Payandeh nennt dabei ein Beispiel an vorderster Stelle, die Energiewende. Es müsse doch gelingen, im sonnenreichen Südeuropa neue Solaranlagen im großen Stil zu bauen und den Transport von Energie innerhalb der EU zu verbessern. Auf diese Weise hätte man in strukturschwachen Gegenden etwas zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit getan, ohne den Weg über Dumping-Löhne zu gehen. „Ein solches Programm würde in Gegenden, die eine Unterstützung benötigen, eine Entwicklungsperspektive aufzeigen.“
Nach den Vorstellungen des DGB-Plans sind allein für den Aufbau einer „europaweiten Energiewende“ jährliche Investitionen von 150 Milliarden Euro nötig. Dem könnten aber Entlastungen gegenüberstehen, nämlich die schrittweise Ablösung der Abhängigkeit von Brennstoffimporten. Dort sieht Payandeh einen Einspareffekt von 300 Milliarden Euro jedes Jahr. Der gesamte Plan sieht über zehn Jahre Investitionen von 2600 Milliarden Euro vor, und der DGB-Vorsitzende hat vor geraumer Zeit schon den Vorschlag entwickelt, eine festverzinsliche zehnjährige „New-Deal-Anleihe“ auszugeben. Dies sollten aber nicht die EU-Mitgliedsstaaten für sich tun, auch nicht die EU-Behörden. Vielmehr könne der „Europäische Zukunftsfonds“ in eigener Hoheit aktiv werden. Auch einfache Sparer könnten ihr Geld auf diese Weise anlegen. Zur Finanzierung der Zinsen und der Tilgung sollten Einnahmen aus einer europaweiten Finanztransaktionssteuer genutzt werden.
Verknüpfung mit gewerkschaftlichen Traditionen
Der DGB-Landesbezirk will zum 1. Mai seine Strategie noch an einem anderen Punkt verändern. Neben der Konzentration auf ein Zentralthema, die europäische Einigung, kommt noch die Verknüpfung mit den gewerkschaftlichen Traditionen, wie DGB-Regionsgeschäftsführer Torsten Hanning erläutert: In der Landeshauptstadt beispielsweise habe der Gewerkschaftsbund in den vergangenen Jahren stets größere Plätze gesucht, auf denen er seine Maifeste anbietet. Bevor die Stadt den Klagesmarkt neben dem DGB-Hochhaus bebauen ließ, war auch das eine beliebte Fläche. Dieses Jahr ziehe man direkt vor das hannoversche Gewerkschaftshaus – und das geschehe auch, wie Hanning betont, weil der DGB zum 1. Mai auf Traditionen großen Wert lege.