Darum geht es: Wie sieht die Zukunft des Diesel-Motors aus? Darüber wollen heute in Berlin Politiker der Bundesregierung und mehrere Ministerpräsidenten mit Vertretern von Autoindustrie, Verbänden und Gewerkschaften auf einem Diesel-Gipfel sprechen.

Trotz des Gipfels: Wer Diesel zapft, tankt immer noch günstiger – Foto: pavelkubarkov

Die Diesel-Krise schockiert Deutschland: Von einer Kernschmelze in der Autobranche ist die Rede. Anja Piel, die Grünen-Fraktionsvorsitzende im niedersächsischen Landtag, plädiert wie ihre Partei für eine Zukunftskommission nach dem Vorbild der Atomendlagersuchkommission. Und der ohnehin fragwürdige ARD-Journalist Jürgen Döschner muss sich für seinen geschmacklosen Tweet „Automafia vergast 10.000 Unschuldige“ entschuldigen. Deutschland dreht durch.

An der Tankstelle um die Ecke ist derweil alles wie immer. Der Diesel kostete in Hannover gestern 1,05 Euro, Super-Benzin dagegen 1,24 Euro. Der angebliche Problem-Treibstoff wird fröhlich weiter subventioniert. Und die Bundesregierung? Organisiert erst einmal einen Diesel-Gipfel. Bei einem Gipfel der Grünen-Bundestagsfraktion saßen vorgestern all diejenigen, die im Auto den Kern allen Übels sehen und am liebsten den Anti-Atom-Kampf durch einen Anti-Auto-Kampf ersetzen würden. Der Kampf geht eben immer weiter. Und beim Gipfel im Bundesverkehrsministerium treffen sich heute um 11.30 Uhr die Automanager, denen niemand so richtig mehr über den Weg trauen will, mit den Politikern, die in den vergangenen Jahren in der Abgasproblematik geflissentlich weggesehen haben.

Der Diesel-Gipfel wird an der aktuellen Sprit-Panik wenig ändern

Otto Normalverbraucher kann sich nur noch wundern. Sein Problem ist, dass er niemandem mehr vertrauen kann. Die Autokonzerne drucken Abgas- und Verbrauchswerte in die Prospekte für Neuwagen, die stimmen können – vielleicht aber auch nicht. Und ein winziger Verein wie die Deutsche Umwelthilfe mit nicht einmal 400 Mitgliedern treibt Politik und Automobilindustrie vor Gerichten und in Medien vor sich her und arbeitet an der kalten Enteignung zahlreicher Autobesitzer. Die sind gleich doppelt betroffen. Kommen die immer wieder diskutierten Fahrverbote, ist das eigene Auto mit Diesel-Motor für so machen Besitzer nutzlos. Und wer aktuell einen Diesel hat, dürfte beim Verkauf nicht denselben Preis erzielen wie vor ein paar Wochen. Deutschland tankt wieder Super.

Der Diesel-Gipfel wird an der aktuellen Sprit-Panik wenig ändern. Die wird ohnehin, wie es in dieser Mediengesellschaft mit ständigen Hypes Usus ist, wieder durch eine neue Panik abgelöst, und bei dem Gipfel ist niemand in Sicht, der dort einmal ein ehrliches Machtwort sprechen würde. Nach dem Gipfel sollten sich stattdessen alle Beteiligten wieder besinnen und endlich an ihre Aufgaben machen. Volkswagen und Konsorten sollten in der Diesel-Krise, die sich zäh wie Kaugummi durch die Monate und Jahre zieht, endlich reinen Tisch machen. Weniger Marketing und mehr ehrbarer Kaufmann wäre jetzt einmal angesagt. Die Politik im Bund sollte dafür sorgen, dass Prüfbehörden keine zahnlosen Tiger sind und Strafen bei Verfehlungen auch auf dem Fuße folgen. Und den Kommunen bleiben viele Möglichkeiten, die Luft zu verbessern. So mancher Lokalpolitiker könnte doch gleich heute im Auto einmal darüber nachdenken – zum Beispiel, während er gerade an einer der zahlreichen roten Ampeln steht.

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