Der Politiker der Woche…
…wird diesmal viele überraschen. Der Mann polarisiert, manche halten ihn deshalb für ungeeignet. Aber er treibt mit seiner entscheidungsfreudigen und äußerst zuspitzenden Art auch viele Projekte voran. In dieser Woche hat er bewiesen, dass er nicht nur den öffentlichen Auftritt versteht, sondern auch im Hintergrund Kompromisse schließen kann. Das Vorhaben, um das es hier geht, liegt in seinem Landkreis – 50 Kilometer von Hannover entfernt. Aber die Bedeutung geht weit über diese regionale Grenzen hinaus. Der Politiker der Woche heißt…
…Tjark Bartels, ist Sozialdemokrat und Landrat des Kreises Hameln-Pyrmont.
Der 49-jährige, ein großer, stämmiger und wortgewaltiger Jurist, hat die Anlage, beides zu sein – als herausragender und guter oder auch ein besonders umstrittener Politiker klassifiziert zu werden. Denn der Sozialdemokrat Bartels, seit fünf Jahren Landrat seines Kreises, hasst die stromlinienförmige Anpassung. Er formuliert gern drastisch und klar, manche seiner Zuhörer fühlen sich dann vor den Kopf gestoßen oder „nicht mitgenommen“, wie es gern heißt. Im März, als alle Landräte in seiner Stadt tagten, hielt er ein ungewöhnlich ausführliches Grußwort. Viel zu lang, wie viele meinten, aber dafür inhaltsschwer – und nicht bloß floskelhaft. Der Grund, warum Bartels in dieser Woche als „Politiker der Woche“ ausgewählt wird, liegt an einer Sachentscheidung, die weit über den Landkreis hinausstrahlt. Der Bückeberg in der Gemeinde Emmerthal, der in der Zeit des Nationalsozialismus ein zentraler Veranstaltungsort für die NS-Propaganda war, soll endlich als „Lern- und Erinnerungsort“ identifiziert werden – nachdem es die Kommunal- und Landespolitiker in den vergangenen 70 Jahren nicht geschafft haben, auch nur ein kleines Hinweisschild an dieser Stelle aufzustellen.
Früher meinte man vielmehr, es solle Gras über die Vergangenheit wachsen – als ob das möglich wäre. Bartels hat in den vergangenen Monaten das Vorhaben, hier einen Erinnerungsort zu errichten, maßgeblich vorangetrieben. Seine Kritiker meinen, damit habe er übertrieben und die Kritiker, die vor allem in der AfD, aber auch bei CDU und Wählergemeinschaft stark waren, mit seiner Art erst mobilisiert. Immerhin aber war es vor allem Bartels zu verdanken, dass der Streit um die Erinnerungsstätte überhaupt erst ins öffentliche Bewusstsein gelangte und der Bundestag schließlich gar eine Förderung versprach. Denn es handelt sich hier ja nicht um eine lokale oder regionale, sondern um eine deutschlandweite Angelegenheit.
Die Entwicklung lief dann wie folgt: Die Befürworter rund um Bartels und die Kritiker bei AfD, CDU und Wählergemeinschaft in Emmerthal verhakten sich. Die ganze Sache drohte im Chaos zu enden. Es traten andere auf den Plan – Dirk Toepffer und Mareike Wulf von der CDU-Landtagsfraktion, Uli Watermann von der SPD-Landtagsfraktion. Sie schmiedeten gemeinsam mit Bartels und den moderaten Kräften von CDU und Wählergemeinschaft einen Kompromiss. Es kommt zum „Lern- und Erinnerungsort“, wie ihn der Hamelner Historiker Bernhard Gelderblom entworfen hat. Die Zuwegung wird aber geändert, sodass die Anwohner nicht fürchten müssen, von den vermeintlich vielen Besucherströmen erdrückt zu werden. Bartels wirkte hier im Hintergrund, zeigte die Fähigkeit zum Ausgleich und zur Verständigung.
Wenn der Landrat jetzt die Krone vom Politikjournal bekommt, dann nicht deshalb, weil er der herausragende Motor einer Einigung gewesen wäre. Diese Anerkennung gebührt mehreren. Bartels wird vielmehr ausgezeichnet, weil es ohne ihn und seine Mischung aus Vorpreschen und Bereitschaft zum Aufeinander-Zugehen am Bückeberg vermutlich nie so weit mit den Plänen gekommen wäre. Das Beispiel zeigt: In der Politik sind auch ungewöhnliche Charaktere nötig, die öfter mal anecken oder als Einzelkämpfer voranschreiten. Glückwunsch vom Rundblick zur Auszeichnung!