…wird in diesem Jahr 60 Jahre alt, leitet einen großen Interessensverband und genießt den Ruf, gradlinig sein Ziel zu verfolgen – gegen Widerstände seiner Kritiker. In jüngster Zeit hat seine Art der Politik mehr Unterstützer als früher, aber das liegt an den Umständen. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass seine Organisation trotz ihrer strukturellen Schwäche gegenwärtig wieder mehr Einfluss ausübt als in früheren Zeiten. Der Niedersachse des Monats heißt…

Foto: DGB/RB

…Mehrdad Payandeh, ist seit gut zwei Jahren Vorsitzender des DGB-Bezirks Niedersachsen und hat jüngst maßgeblich an einem Konzept mitgewirkt, das für reichlich Aufsehen sorgte. Payandeh, ein promovierter Volkswirtschaftler, schlug einen „Niedersachsen-Fonds“ vor, der – vereinfacht erklärt – so wirken soll: Das Land soll eine Milliarde Euro in einen vollständig landeseigenen Fonds abzweigen, der dann Kredite aufnimmt und Investitionen in die Infrastruktur (öffentliche Gebäude, Straßen, Breitbandnetze, Co-Finanzierungen für Schulen und kommunale Einrichtungen) finanziert. Die Bestimmungen der Schuldenbremse, die von diesem Jahr an allen Bundesländern die Neuverschuldung verbietet (bis auf Naturkatastrophen wie Corona und Konjunktureinbrüche wie gegenwärtig), müssten von dem Fonds nicht eingehalten werden.

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Zwar fand diese Idee bei der SPD/CDU-geführten Landesregierung keinen Widerhall, immerhin die Landtagsfraktion der Grünen aber äußerte offen ihre Sympathie – allerdings mit einer Einschränkung. Bisher ist in dem Modell von Payandeh nicht sichergestellt, wer über die Ausgaben des „Niedersachsen-Fonds“ befinden soll, ob eine Beteiligung der gewählten Volksvertreter im Landtag sichergestellt werden kann.


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Immerhin würde die Umsetzung bedeuten, dass wesentliche Teilen des Landesvermögens aus dem Landeshaushalt herausgeschnitten und in die selbstständige Verwaltung eines neugeschaffenen Fonds übertragen würden – das ist ein sehr weitgehender Schritt, der auch viele verfassungsrechtliche Fragen aufwirft. Payandeh indes stört das wenig, er genießt es, mit neuen Vorschlägen eine Debatte anzustoßen und damit auf ein Grundproblem hinzuweisen – dass nämlich unter den Bedingungen der Schuldenbremse der Investitionsstau bei Land und Kommunen kaum behoben werden kann.

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Es ist nicht lange her, da hatte Payandeh mit einem anderen, ähnlich klingenden Plan schon einmal Diskussionen ausgelöst. Er schlug vor, einen „europäischen Zukunftsfonds“ zu gründen, Anleihen auszugeben und auf diesem Weg europaweit Investitionen anzuschieben – beispielsweise für viele Solaranlagen im sonnenreichen Südeuropa, verbunden mit einer Netzanbindung an den Norden. Das klang damals, 2018 und 2019, ein wenig utopisch.

Aber die neue Klimaschutz-Politik der neuen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen tritt zumindest ansatzweise so auf, als wenn sie die Ratschläge des niedersächsischen DGB-Vorsitzenden beherzigt hätte. Auch die Corona-Krise mit dem Wiedererstarken der Rolle des Staates als Investor und Antreiber für einen Wirtschaftsaufschwung sorgt dafür, dass Ideen wie die von Payandeh zumindest mehr Gehör finden, wenn sie auch nicht sofort auf breiten Widerhall bei den Mächtigen stoßen.

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Wer ist dieser Mann, der in seinen Auftritten immer ein wenig grundsätzlich und visionär klingt, ein bisschen wie jemand, der ständig dabei, die Welt ein Stück besser und gerechter gestalten zu wollen? Payandeh wurde 1960 in Abadan (Iran) geboren, lebte dort bis 1985 und engagierte sich für Arbeitnehmerrechte. Unter dem Mullah-Regime wollte er nicht länger leben, beantragte 1985 als 25-Jähriger politisches Asyl in der Bundesrepublik und belegte Sprachkurse in Bayern. Er wurde Kaufmann für Datenverarbeitung und verdiente seinen Lebensunterhalt als Lagerarbeiter, studierte dann Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftswissenschaften in Hamburg, Bremen und in der Ukraine, promovierte 2004 in Bremen und hatte Lehraufträge.

Dann arbeitete er für den inzwischen verstorbenen SPD-Bundestagsabgeordneten Ottmar Schreiner, wurde 2008 Referatsleiter für europäische Wirtschaftspolitik beim DGB-Bundesvorstand, leitete dort die Abteilungen für Wirtschafts- und Finanzpolitik und schrieb Grundsatzkonzepte – wie das zum „Europäischen Marschallplan“. Als er vor zwei Jahren den DGB-Landesvorsitz übernahm, hatten viele Mühe, den sehr schnell sprechenden Payandeh zu verstehen. Mittlerweile hat sich das geändert, und er genießt auch Respekt – übrigens auf ganz andere Weise als sein Vorgänger Hartmut Tölle. Tölle war gut vernetzt, hatte Kontakte in alle Lager und war der ideale Gesprächspartner für die Lösung von Konflikten und für Vermittlungen. Payandeh gilt eher wie ein Vordenker oder auch Chefideologe – und das kommt gar nicht so schlecht an in seiner Umgebung. Ein Grund für die Redaktion des Politikjournals Rundblick, ihm den Titel „Niedersachse des Monats Juni“ zu verleihen.