…wurde im November in sein neues Amt gewählt und hat darin nun die ersten 100 Tage verbracht. Zunächst war es ruhig um ihn geworden, doch vor kurzem fiel er innerhalb einer Woche mit gleich zwei klaren Statements auf. Dabei zeichnete er sich besonders durch seinen versöhnlichen, parteiübergreifenden Stil aus – mit einer Botschaft, die auch überregional Wirkung entfalten könnte. Der Niedersachse des Monats…

…heißt Belit Onay, ist 39 Jahre alt, Hannovers neuer Oberbürgermeister und gehört den Grünen an.

Foto: Montage; LHH/S. Wolters

Onay ist kein polternder Typ, und keiner, der forsch nach vorne prescht mit seiner eigenen Idee. Im OB-Wahlkampf hatte er immer wieder betont, er wolle als Moderator ins Rathaus einziehen und dort einen neuen Führungsstil etablieren. Wie es scheint, hat er dieses Versprechen nun bei seinem ersten großen Wurf direkt eingelöst. Mitte Februar präsentierte Onay der Öffentlichkeit seinen Vorschlag für eine Neugliederung der Stadtverwaltung. Bei der Vorstellung erklärte er, er habe vorab viele Gespräche mit den Mitarbeitern der einzelnen Fachbereiche geführt, um herauszufinden, was anders laufen müsse. Das war wohl auch ein Grund dafür, dass er in den ersten Wochen seiner Amtszeit eher weniger öffentlich auffiel.

Viel Lob für Onays Verwaltungs-Neugliederung

Viele seiner Vorschläge wurden rund herum als sinnvolle Schritte gelobt. Die Neugliederung drückt zudem Onays Schwerpunktsetzung aus: Die Mobilitätswende wird zur Chefsache gemacht, indem er eine neue Stabsstelle einrichtet. Außerdem soll die Digitalisierung einen eigenen Fachbereich in einem neuen Dezernat erhalten. Und nicht zuletzt wird ein neuer Fachbereich Migration und Integration innerhalb des Sozialdezernats eingerichtet.


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Einen Wermutstropfen gibt es aber doch: Die CDU, der Onay das Vorschlagsrecht für den Sozialdezernenten angeboten hatte, ging auf dieses Entgegenkommen nicht ein. Die Christdemokraten sehen im abgespeckten Sozialdezernat nur noch ein „Rumpfdezernat“ ohne Gestaltungskompetenz. Damit wollten sie nicht ihr Schweigen zur sonstigen Neugliederung erkaufen lassen. Insgesamt sehen aber auch die Christdemokraten einen deutlich anderen Stil und eine bessere Art der Zusammenarbeit mit dem neuen Oberbürgermeister. Onay sucht das Gespräch mit allen Kräften im Rat, auch mit der CDU als größter Oppositionsfraktion. Das war unter seinem Vorgänger Stefan Schostok (SPD) lange vermisst worden.

Offene, um Ausgleich bemühte Haltung trifft auf nachdenklichen Ton

Seine offene, um Ausgleich bemühte Haltung drückt sich nicht nur in den Gesprächen über die Dezernatsgliederung aus. Geprägt davon war auch Onays Statement, das er nach dem Terroranschlag von Hanau auf der „bunt statt braun“-Kundgebung in Hannover abgab. Auch dort trat der Oberbürgermeister wieder gewohnt ruhig, aber entschieden auf. Während manch anderer Redner meinte, ins Mikrophon brüllen zu müssen, um die rund 3000 Zuhörer auf dem Marktplatz erreichen zu können, überzeugte Onay mit seinem nachdenklichen Ton und seiner behutsamen Wortwahl: „Auch deshalb sind wir heute hier, um uns diesem Hass und dieser Hetze entgegenzustellen. Mit all dem, was uns stark macht, nämlich mit Einigkeit und Recht und Freiheit.“

Anstatt wie viele der Redner eine simple Einteilung in die „guten Linken“ und die „bösen Rechten“ vorzunehmen, lud Onay damit auch die Konservativen ein, Teil des demokratischen Bündnisses zu sein. Der Verweis auf die Nationalhymne, die in linken Kreisen mitunter verpönt ist, war gerade vom Grünen-OB mit Migrationsgeschichte eines der stärksten, versöhnlichsten Statements an diesem Abend – ein willkommenes Signal in einer Zeit zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung.

Eine Botschaft, die außerhalb von Hannover auf Gehör stoßen kann

Onay zeigt damit in den ersten 100 Tagen, dass er durchaus eine Botschaft hat, die auch außerhalb von Hannover auf Gehör stoßen und Aufmerksamkeit erzielen kann. Jetzt muss er – nach der ersten Aufwärmphase – nur auch wieder deutlicher nach außen hin auftreten. Noch hält er sich zurück mit Interviews, grundsätzlichen Bemerkungen zur Rolle der Kommunen oder Ansprüchen, auf der Ebene der Großstädte oder der Landeshauptstädte ein wichtiges Wörtchen mitzureden. Seine beiden Vor-Vorgänger, Stephan Weil und Herbert Schmalstieg, hatten ihr Amt stets auch in einer bundespolitischen Rolle gesehen. Das geschieht bei Onay noch nicht, was aber verständlich ist – denn er ist in den ersten Monaten durchaus noch ein Lernender im Rathaus, einer, der die Abläufe der Kommunalpolitik zunächst noch verinnerlichen muss. Aber nach 200 Tagen, so muss man erwarten können, sollte er das überregionale Terrain zumindest schon mal betreten haben.

Für die hoffnungsvollen und positiven Signale in der Startphase seiner Arbeit als OB erhält Belit Onay von der Rundblick-Redaktion den Titel des „Niedersachsen des Monats“ – herzlichen Glückwunsch!