Mediendebatte: Wo ist eigentlich die Landespolitik?
Darum geht es: Die einen hetzen gegen den Rundfunkbeitrag, die anderen pochen auf die Grundversorgung durch die öffentlich-rechtlichen Sender. Die Politik ist in diesem Sturm der Aufregung auffällig schweigsam. Ein Kommentar von Martin Brüning.
Medienpolitik ist in Deutschland Ländersache. Eigentlich, müsste man hinzufügen. Denn die Bürger im Lande bekommen davon in der Regel wenig mit. Wann haben die Niedersachsen zuletzt etwas aus dem zuständigen Landtagsausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien und Regionalentwicklung gehört? Die thematische Zusammensetzung dieses Ausschusses macht schon deutlich, dass hier zusammengesetzt wurde, was irgendwie übrig blieb. Auf Seiten der Exekutive ist Medienpolitik Sache der Staatskanzlei. Aktiv kommuniziert wird hier nahezu nie. Medienpolitik, das findet am Abend bei den Kamingesprächen der Ministerpräsidentenkonferenz statt. Auch dort geht es zumeist nicht um die großen Linien, sondern um kleine Cent-Beträge des Rundfunkbeitrags.
Die Hinterzimmerpolitik und das Ausbleiben einer öffentlichen Debatte mit qualifizierten Diskutanten machen es den Schreihälsen leicht, die schlicht eine Abschaffung der GEZ-Gebühr fordern – obwohl es die GEZ gar nicht mehr gibt. Politische Stimmen hört man zumeist nur im Zusammenhang mit kurzatmigen Debatten um die Höhe des Rundfunkbeitrags. Grundsätzliche Debatte werden erst recht auf Landesebene eher vermieden. Vor Kritik am öffentlich-rechtlichen System schrecken viele zurück, oftmals auch aus der unbegründeten Angst heraus, dann als Interviewpartner der kritisierten Medien nicht mehr gefragt zu sein. Es gibt sie eben, die Abhängigkeit zwischen Politik und Medien. Das betrifft private Anbieter aber genauso wie die Öffentlich-Rechtlichen und macht aus letzteren noch lange nicht den vielgeschmähten „Staatsfunk“.
Die öffentlich-rechtlichen Medien stehen sich in der Debatte mit ihrer Dickfelligkeit allerdings auch selbst im Weg. Dabei geht es nicht nur allein um das teilweise großspurige Auftreten, das nahelegt, dass ohne die „Demokratieabgabe“ das ganze Land gleich den Bach heruntergeht. Es ist schlichtweg in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten Maß und Mitte verloren gegangen. 27.000 Mitarbeiter und ein Jahres-Etat von acht Milliarden Euro machen es den Verlegern leicht, sich als armes Hascherl zu präsentieren. Der Streit um die publizistischen Möglichkeiten im Internet hat auch mit der schieren Größe und Markmacht der Öffentlich-Rechtlichen zu tun. Weniger wäre mehr – denn dann gäbe es die ganze Diskussion über Texte und Videos im Internet vermutlich nicht.
Es ist schlichtweg in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten Maß und Mitte verloren gegangen
Auf der anderen Seite haben sich auch die privaten Medienunternehmen Versäumnisse vorzuwerfen. Sie haben in den vergangenen Jahren viel über die Öffentlich-Rechtlichen gejammert, während es an eigenen Ideen eher gemangelt hat. Halbherzige Video- und Audio-Versuche auf rumpeligen Internetseiten sind eben keine Konkurrenz zu einem trimedial aufgestellten öffentlich-rechtlichen Rundfunk. In Niedersachsen verdienen Verlage mit ihren Beteiligungen gerne Geld mit dem privaten Rundfunk, sind aber nicht in der Lage, über Formen der Zusammenarbeit nachzudenken, um der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz Paroli zu bieten. So lange auf den Führungsebenen vor allem Betriebswirte sagen, wo es lang geht, wird man auf die journalistische Augenhöhe weiter warten müssen.
Die öffentlich-rechtlichen Sender werden deshalb auch weiter ein wichtiger journalistischer Eckpfeiler in diesem Land bleiben. Dennoch werden sie sich weiterentwickeln müssen, um langfristig akzeptiert zu werden. Dafür wird er in manchen Bereichen schrumpfen müssen, in anderen dagegen wachsen können. Ein neuer Gesellschaftsvertrag kann Grundlage einer solche Lösung sein. Dabei wäre es zu begrüßen, wenn die Landespolitik diese Diskussion ohne Schaum vor dem Mund aktiv begleiten würde.