Der Gemischtwarenladen hat keine Zukunft
Darum geht es: ARD und ZDF regen an, den Rundfunkbeitrag künftig an einen Index zu koppeln. Ein Kommentar von Martin Brüning.
Die gute Nachricht zuerst: Die Reformbereitschaft bei ARD und ZDF steigt offenbar. Zumindest lässt sich das zum Teil aus Berichten über die Stellungnahmen der öffentlich-rechtlichen Sender an die Arbeitsgruppe „Auftrag und Strukturoptimierung der Rundfunkanstalten“ herauslesen. So ist unter anderem von einer intensiveren Zusammenarbeit von ARD und ZDF die Rede. Darüber hinaus sollen Prozesse in Verwaltung, Produktion und Technik auf einen Standard gebracht und anschließend zentralisiert werden. Wenn das Geld spart, und davon ist auszugehen, so wäre das eine begrüßenswerte Maßnahme.
Die anwachsende Veränderungsbereitschaft macht deutlich, dass zum Beispiel in der Politik angestoßene Diskussionen um eine Fusion von ARD und ZDF, so unwahrscheinlich diese am Ende auch sein mag, ihre Wirkung zeigen. Auch die immer wiederkehrende Kritik und das Infragestellen, ob begründet oder unbegründet, tragen dazu bei, dass bei den Anstalten ein Veränderungsdruck entsteht.
Die schlechte Nachricht ist allerdings, dass die Veränderungsbereitschaft leider nur in Millimeterschritten zu beobachten ist. So soll dem Vorschlag der ARD zufolge auf die geplante Absenkung des Beitrags ab 2017 auf 17,20 Euro verzichtet werden. Mit dem neuen Index-Verfahren läge der Beitrag laut ARD-Beispielrechnung im Jahr 2020 dann bei 19,46 Euro – ganz automatisch, Index sei Dank. Das wären für die Beitragszahler über 27 Euro mehr im Jahr, die zwangsweise an ARD und ZDF überwiesen werden müssten. Manchmal machen es die Öffentlich-Rechtlichen den medienkritischen Wutbürgern aber auch allzu leicht….
„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist notwendig“, sagt der Grünen-Medienpolitiker Gerald Heere richtigerweise und fügt zugleich an: in welchem Umfang und in welchen Medien müsse immer wieder hinterfragt werden. Genau hier hapert es bei ARD und ZDF. Sie sind seit Jahren nicht in der Lage, sich auf ihre Stärken zu fokussieren. Bei Einnahmen von 8.131.285.001,97 Euro im Jahr 2015 müssten die Mitarbeiter der Sender zu den deutschlandweit glücklichsten Angestellten zählen. Die Realität sieht anders aus: Weil ARD und ZDF meinen, sowohl im Fernsehen als auch in Radio und Internet alles machen zu müssen, herrscht Spardruck aller Orten. Am Ende der Kette steht das fragwürdige System einer Vielzahl sogenannter „fester freier“ Mitarbeiter, weil für zu viele Festanstellungen bei Einnahmen von über acht Milliarden Euro im Jahr offenbar das Geld nicht reicht. Die Frage ist nicht, wieviel Geld zur Verfügung steht, sondern wofür es ausgegeben wird.
Wenn bei einem privaten Unternehmen von „Strukturoptimierungen“ die Rede ist, geht gleich die Sorge um, welche Abteilung es wohl treffen und welche Bereiche ihre Existenz verlieren könnten. Diese Diskussion in ihrer ganzen Breite ist ARD und ZDF (noch) fremd. Die ins Spiel gebrachte Index-Regelung soll auch in den kommenden Jahren stetig steigende Einnahmen garantieren, möglichst ohne nervige öffentliche Diskussionen über die Verwendung der Mittel. Was dadurch in den Hintergrund rückt und seit Jahren aussteht, ist ein klares Konzept, was öffentlich-rechtlicher Rundfunk leisten muss und vor allem: was er nicht leisten muss. Der überdimensionierte mediale Gemischtwarenladen hat keine Zukunft. ARD und ZDF scheinen allerdings kaum in der Lage, aus dem System heraus die nötigen Veränderungen auf den Weg zu bringen. Wer kann helfen?
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