Der Einzelkämpfer
Darum geht es: Während die SPD sich entschlossen und kampfesbereit um ihren Ministerpräsidenten Stephan Weil schart, hat die CDU mit Bernd Althusmann erkennbar Mühe mit der Mobilisierung. Dazu ein Kommentar von Klaus Wallbaum.
Auch Stephan Weil ist nicht als großer Teamplayer bekannt, es geht das Gerücht, er sei ein Kontrollfreak und misstraue vielen – auch seinen Ministern. Allerdings merkt man derzeit davon wenig, denn der drohende Machtverlust, der sich auch in Umfragen ausdrückt, schweißt die Sozialdemokraten fest zusammen. Sie versammeln sich um ihren Ministerpräsidenten und feiern ihn, jeder noch so harte Angriff Weils auf die CDU ist den Genossen einen starken Applaus wert, ganz unabhängig davon, wie weit hergeholt und fragwürdig begründet diese Attacken auch sein mögen. In der SPD weiß man: Jetzt zählen Geschlossenheit und Kampfgeist.
Aber was ist nun mit Bernd Althusmann, dem Herausforderer? Die Umfragen sind verheißungsvoll, die Aussichten auf die Rolle als stärkste Partei im nächsten Landtag sind groß. Damit würde der CDU die Aufgabe zufallen, die Regierungsbildung in die Hand zu nehmen. Doch die Stimmung in der Partei ist eher verhalten, die Führung agiert betont zurückhaltend.
Während für die SPD der Landtagswahlkampf längst begonnen hat, tritt die CDU noch so auf, als wolle sie um keinen Preis den Bundestagswahlkampf von Angela Merkel stören. Am besten, der Landtagswahlkampf beginne erst am Morgen nach dem 24. September, hieß es lange Zeit aus Althusmanns Umfeld. Dann entschied er sich doch anders und präsentierte zumindest schon mal eine Agrar-Schattenministerin. Heute sollen zwei weitere Mitglieder seines Kompetenzteams hinzukommen.
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Aber all das geschieht merkwürdig gedämpft und zurückgenommen, fast schon ängstlich. Der CDU-Spitzenkandidat agiert überaus vorsichtig und will keinen Fehler machen. Während Stephan Weil trotz ausgesprochen magerer Regierungsbilanz tatenfroh, bodenständig und leidenschaftlich wirkt, scheint sich sein Herausforderer vorerst noch verstecken und abwarten zu wollen. Ob er wirklich weiß, was er will?
Nun muss Althusmann aufpassen, dass er nicht zum Getriebenen wird. In einer solchen Lage könnte er auf einmal verloren wirken, denn ein Nachteil des CDU-Landesvorsitzenden wird in jüngster Zeit immer deutlicher: Er ist, wie einst in der Bundeswehr, ein Einzelkämpfer. Althusmann kann gute Reden halten, kann begeistern, fürwahr. Aber die Art, wie er wichtige strategische Entscheidungen trifft, erschreckt sehr viele beispielsweise in der Landtagsfraktion. Denn es sind höchst einsame Entscheidungen. Wen er als Schatten-Agrarministerin berufen würde, blieb für ihn bis zum Schluss geheime Kommandosache. Selbst enge Mitstreiter betonen, nicht eingebunden gewesen zu sein.
Die SPD ist schon im Gefecht, Stephan Weil vornweg. In der CDU wird noch über die richtige Strategie gerätselt. Und man schaut fragend zum Vorsitzenden.
Andere berichten, Althusmann reagiere rasch genervt, sobald man ihm einen gutgemeinten Ratschlag geben wolle. Ob der Chef meint, alles sowieso besser zu wissen? Wenn es dann um die Frage geht, wie man diejenigen aus der Landtagsfraktion, die auch gern etwas geworden wären, besänftigen oder entschädigen kann, verweisen viele CDU-Politiker nur achselzuckend auf den Landesvorsitzenden: „Da müssen Sie Herrn Althusmann fragen.“ Verräterisch war, dass der Spitzenkandidat die Schatten-Agrarministerin Barbara Otte-Kinast den Delegierten des „kleinen Parteitags“ der CDU mit den Worten präsentierte: „Ich möchte Ihnen noch jemand vorstellen.“ Soll eine Partei, die bald regieren will, von ihrem Vorsitzenden die Mitglieder des Kabinetts vorgestellt bekommen? Ist sie nur ein Zuschauer in einem Spiel, das allein der Spitzenkandidat bestreiten soll? Eher möchten sie doch wohl das Gefühl haben, solche wichtigen Personalien mitentschieden zu haben, damit sie diese auch mit ganzem Herzen mittragen können.
Zum echten Teamplayer sind die wenigsten geboren. Weil und Althusmann sind es beide nicht. Aber bei Weil fällt das jetzt weniger ins Gewicht, die widrigen Umstände lassen die Sozialdemokraten automatisch zusammenrücken wie in einem letzten Kampf, in dem es um alles geht. Bei der CDU fehlt derzeit die Motivation für die schwere Auseinandersetzung. Man kann auch sagen: Vielleicht fehlt dem übervorsichtigen, grübelnden Vorsitzenden der unbedingte und leidenschaftliche Wille, eine führende Funktion im positiven Sinne des Wortes zu übernehmen – als Leitfigur, die andere mitzieht. Wenn das vorhanden wäre, könnte sein Machtstreben ansteckend auf die Mitstreiter wirken. Knapp sechs Wochen sind es noch bis zum Wahltag, keine lange Zeit mehr. Die SPD ist schon im Gefecht, Stephan Weil vornweg. In der CDU wird noch über die richtige Strategie gerätselt. Und man schaut fragend zum Vorsitzenden.