18. Juni 2024 · 
Inneres

Demos von Extremisten verbieten oder Islamisten abschieben?

Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) hat angekündigt, den Kampf gegen den Islamismus aufnehmen zu wollen. Sie habe vor, „alles, was der Rechtsstaat erlaubt“, dafür zu tun, sagte sie während einer von der AfD-Fraktion beantragten aktuellen Debatte. Dabei verwies sie auf das Verbot des islamistischen Vereins „DMG Braunschweig“ in der vergangenen Woche sowie den Versuch, eine Demonstration der „Generation Islam“ in Hannover verbieten zu lassen – was allerdings vom Verwaltungsgericht Hannover gestoppt worden war.

Innenministerin Daniela Behrens erkennt im Islamismus eine zunehmende Gefahr. | Foto: Plenar-TV/Screenshot: Link

Es müsse festgestellt werden, dass Islamisten zunehmend aggressiver aufträten und Prediger versuchten, insbesondere die junge Bevölkerung aufzuhetzen. Drei konkrete Ansatzpunkte trug die Innenministerin in aller Kürze vor: Erstens brauche es gut aufgestellte Sicherheitsbehörden, die es in Niedersachsen ihrer Ansicht nach aber bereits gebe. Zweitens möchte sie eine Debatte darüber führen, ob das Versammlungsrecht eingeschränkt werden solle. Und drittens erinnerte sie an die Novelle des Verfassungsschutzgesetzes, für die sie zeitnah dem Parlament einen Entwurf vorlegen wolle.

SPD will Verfassungsschutz stärken

Rückendeckung für den Ansatz, den Verfassungsschutz zu stärken und Aufmärsche von Extremisten leichter verbieten zu können, erhält Behrens von der SPD-Fraktion. Man sollte das Versammlungsgesetz anschauen, um Demonstrationen gegen die Grundordnung nicht mehr hinnehmen zu müssen, sagte Sebastian Zinke (SPD). Er erklärte: „Es gibt keinen guten Extremismus, der gegen den schlechten kämpft. Jede Form ist zu bekämpfen, denn jede Form ist Gift für die Gesellschaft.“ Islamisten forderten ein Kalifat, Linksextremisten griffen die Infrastruktur an, so Zinke.

Sebastian Zinke (SPD) kritisiert die AfD. | Foto: Plenar-TV/Screenshot: Link

Der Grünen-Innenpolitiker Michael Lühmann erklärte: „Es steht nicht nur dieser Tage außer Frage, dass der Islamismus unsere freiheitlich demokratische Grundordnung, unseren Rechtsstaat, unsere Demokratie herausfordert und angreift.“ Er schlussfolgert daraus allerdings, dass man dem Islamismus genauso entschieden entgegentreten müsse wie dem Rechtsextremismus. Denn es sei egal, ob ein Führerstaat oder ein Kalifat gefordert werde.

Bei den konkreten Schritten, die daraus folgen, vertritt Lühmann aber eine andere Position als sein Koalitionspartner. Er stimmt zwar zu, dass alles geprüft werden solle, um menschenverachtende Aufmärsche zu verbieten. Die rechtlichen Hürden dafür seien aber hoch, mahnt der Grünen-Politiker. Von Abschiebungen von Straftätern halten derweil sowohl SPD als auch Grüne wenig.

Will dem Islamismus entschieden entgegentreten: Michael Lühmann (Grüne). | Foto: Plenar-TV/Screenshot: Link

Forderungen nach Abschiebungen von Straftätern bezeichnete Zinke als Augenwischerei. Lühmann meinte, diese sollten lieber hier das „scharfe Schwert des Rechts“ spüren, statt in „Hassregime“ abgeschoben zu werden, wo man sie für ihre Taten angeblich feiere. Die Sprecher der Koalitionsfraktionen setzen darauf, den friedlichen Islam zu stärken, deutsche Imame auszubilden und die Integration zu stärken.

AfD-Fraktionschef Wichmann: "Islamisten hassen uns"

Klaus Wichmann, Fraktionsvorsitzender der AfD im Landtag, forderte Abschiebungen von Personen, die keinen deutschen Pass haben und die Sicherheit der deutschen Bevölkerung gefährden. Diesen könne man „nicht mit Gesprächskreisen und nicht mit warmem Kakao“ begegnen. Die These, die Aggressionen würden durch Benachteiligung befördert, habe mit der Realität nichts zu tun, so Wichmann: „Islamisten hassen uns und wollen uns tot sehen oder unterjocht.“ Sie wollten Neunjährige verheiraten, die Sklaverei einführen und einen muslimischen Gottesstaat ausrufen. Die Lösung sei, die Zahl der potenziellen Terroristen im Land auf null zu setzen.

Klaus Wichmann (AfD) verhandelt über Rückführungen notfalls auch mit dem Teufel. | Foto: Plenar-TV/Screenshot: Link

Den Verweis auf rechtliche Hürden wolle er nicht zulassen, da das Parlament schließlich das Recht setze. Auf die Bedenken seitens der Grünen, nicht mit der Taliban über Rückführungen nach Afghanistan verhandeln zu wollen, erklärte der AfD-Politiker: „Wenn nötig, verhandle ich auch mit dem Teufel.“ Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, André Bock, forderte ein Verbot islamistischer Propaganda sowie die Speicherung von IP-Daten. Er möchte, dass Kalifat-Forderungen unter Strafe gestellt werden. Zudem regte er an, den Expertenkreis zum politischen Islam, den Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) abgeschafft hat, wieder einzurichten. Von der Möglichkeit, islamistische Vereine zu verbieten, sollte intensiver Gebrauch gemacht werden.

André Bock (CDU) spricht im Landtag. | Foto: Plenar-TV/Screenshot: Link

Bock meinte, das DMG-Verbot sei viel zu spät gekommen – ähnliches hatte auch Wichmann zuvor gesagt. Der CDU-Politiker fordert, der Staat müsse die Kontrolle über die Einreise nach Deutschland und darüber, wer hier Fanatismus verbreitet, wiedererlangen. Im Zusammenhang mit der Forderung nach einer Ausreisepflicht von Straf- und Gewalttätern schlägt Bock einen Ausreisearrest vor, damit nicht der Eindruck entsteht, rechtswidriges Verhalten werde durch einen Duldungsstatus auch noch belohnt. Die AfD-Fraktion hatte den Tod des Polizisten Rouven L., der Ende Mai in Mannheim von einem vermeintlichen Islamisten mit einem Messer angegriffen worden war, zum Anlass für eine Debatte über den politischen Islam genommen.

Behrens beklagte, dass der Fall von Rechtsextremen genutzt werde, um gegen Muslime zu hetzen, sowie von Islamisten, um gegen die Demokratie zu agitieren. „Beides ist unerträglich“, sagte Behrens. Die richtige Reaktion darauf hätten ihrer Ansicht nach die Menschen in Mannheim gezeigt, die nach dem Attentat auf die Straße gegangen seien, um für eine vielfältige Stadtgesellschaft zu demonstrieren und sich solidarisch mit der Polizei zu zeigen.


Dieser Artikel erschien am 19.6.2024 in Ausgabe #112.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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