Die neuartigen Blitzgeräte, die über eine längere Distanz eine Geschwindigkeitsüberschreitung ermitteln sollen, werden zunehmend zum Zankapfel zwischen dem Innenministerium und der Landesbeauftragten für Datenschutz (LfD), Barbara Thiel. Das Ministerium ist der Meinung, diese „Section control“ genannten Geräte dürften vorübergehend als Probebetrieb auch ohne eine besondere Rechtsgrundlage genutzt werden – nämlich auf Basis von zwei „Generalklauseln“ im bestehenden Polizeigesetz.

Thiels Stellvertreter Christoph Lahmann und LfD-Fachreferent Volker Klauke bestreiten das und verweisen auf ein wenige Tage altes Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Die Richter in Karlsruhe hatten eine ähnliche, allerdings viel weiter gehende Technik der Kennzeichen-Lesegeräte zum Abgleich mit Polizeidateien ohne spezielles Gesetz als unzulässig verworfen, weil damit viele Bürger in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt würden, sich überwacht oder eingeschüchtert fühlen könnten.

Damit verschärft das höchste Gericht seine bisherige Rechtsprechung enorm – und das hat nach Ansicht von Klauke Konsequenzen: „Der Betrieb von Section control ist jetzt, da eine eigene Rechtsgrundlage fehlt, verfassungswidrig. Die Geräte sollten schnellstens abgeschaltet werden.“ Uta Schöneberg vom Innenministerium widersprach: „Aus unserer Sicht reicht es vorläufig aus, die allgemeinen Generalklauseln im Polizeigesetz für diesen Fall anzuwenden. Wir sind nicht der Meinung, dass die Geräte abgeschaltet werden müssen.“

Innenministerium setzt auf Regel im neuen Polizeigesetz

Bisher werden die Kontrollgeräte auf der Bundesstraße 6 zwischen Hannover und Hildesheim probeweise genutzt. Im neuen Polizeigesetz, das derzeit im Parlament beraten wird und im kommenden halben Jahr in Kraft treten soll, soll eine dauerhafte Rechtsgrundlage für „Section control“ geschaffen wäre. Dies wäre dann aus Sicht von Ministerium wie LfD eine ausreichende Grundlage. Der Streit entzündet sich aber an der Frage, ob die Geräte bis dahin ohne besondere Vorschrift genutzt werden dürfen. Nach Ansicht des LfD lässt der Wandel in den Karlsruher Urteilen das nicht zu.

Noch 2008 hätten die Richter dort gemeint, die Masse der von Kennzeichenlesegeräten erfassten Autofahrer müsse keine Beeinträchtigung ihrer Grundrechte hinnehmen, da ihre Angaben rasch wieder gelöscht würden. In seinem neuen, wenige Tage alten Beschluss vollzieht das höchste Gericht eine Kehrtwende. Auch diejenigen, deren Daten hinterher nicht herausgefiltert und von der Polizei genutzt werden, seien in ihrer Bewegungsfreiheit und damit in ihren Grundrechten durch die Überwachung beeinträchtigt. Dies könnten mehr als 15.000 Autofahrer täglich sein, die sich auf dieser Strecke bewegen und gefilmt werden. Ein solcher Eingriff in die Grundrechte einer größeren Zahl unbescholtener Bürger bedürfe dann einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung – sonst sei er nicht mit der Verfassung vereinbar.

Uta Schöneberg vom Innenministerium sieht ihr Vorgehen ausreichend rechtlich abgesichert. Auch bisher sei man der Ansicht gewesen, eine besondere Regel zu benötigen – sie solle ja auch im neuen Polizeigesetz geschaffen werden. Bis dahin reichten jedoch zwei Bestimmungen im geltenden Polizeigesetz: Nach Paragraph 11 kann die Polizei „notwendige Maßnahmen treffen, eine Gefahr abzuwenden“, nach Paragraph 31 kann die Polizei über jede Person Daten erheblich, soweit das zur Abwehr einer Gefahr oder zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nötig ist. Auch Ulrich Watermann und Karsten Becker (beide SPD), Uwe Schünemann und Sebastian Lechner (beide CDU) unterstützten diese Position. Nach Ansicht von Belit Onay (Grüne) ignoriert die Landesregierung, dass die Erfassung von Autokennzeichen nur in ganz eng begrenzten Rahmen zulässig ist. Jörg Bode (FDP) meint: „Grundrechtseingriffe darf es nicht auf Probe geben. Deshalb müssen die Geräte auf der B6 abgebaut werden.“