Datenschützer beklagen „Rasterfahndung“ gegen Glücksspiel-Kunden
Die aktuelle Debatte über den Datenschutz führt zu scharfer Kritik am Glücksspielstaatsvertrag. Datenschützer halten das Vorgehen gegen Glücksspielanbieter nicht für datenschutzkonform. Dabei geht es um das sogenannte „Payment Blocking“, mit dem das niedersächsische Innenministerium versucht, Zahlungen von Kunden an Glücksspielanbieter, die in Deutschland keine Zulassung haben, zu unterbinden. Das Ministerium wendet sich, wenn eine Verfügung an den Glücksspielanbieter erfolgreich zugestellt wurde, an die Bank, die dann die Zahlungsströme blocken soll.
Der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hält das aktuelle Vorgehen nicht für verhältnismäßig. Schließlich sei die Lage beim Glücksspiel unübersichtlich. „Was in Schleswig-Holstein und in bestimmten Regionen Europas erlaubt ist, ist in den anderen Bundesländern verboten. ,Payment Blocking‘ setzt voraus, dass man genau weiß, was da überhaupt zu blockieren ist. Das können die Banken aber gar nicht richtig beurteilen“, sagte er bei einem Expertengespräch in dieser Woche in Hannover.
Reden nicht automatisch über organisierte Kriminalität
Auch für Professor Matthias Rossi von der Universität Augsburg steht der Glücksspielstaatsvertrag nicht mit dem Datenschutzrecht im Einklang. „Er setzt Daten voraus, die bei den Banken überhaupt nicht vorliegen dürfen“, so der Jurist. Er hält es auch für unmöglich, anhand neutraler Zahlungsströme herauszufinden, ob Zahlungen legal oder illegal sind. Eine Bank könne das nicht differenzieren. Auch Rossi hält das Vorgehen für unverhältnismäßig. „Es geht schließlich nur darum, unerlaubtes Glücksspiel zu verhindern. Wir reden nicht automatisch über organisierte Kriminalität oder Terrorismus. Deshalb ist das Instrument des Payment Blockings in der Streubreite ungeeignet.“ Für Rechtsanwalt Gero Ziegenhorn macht das Land die Banken damit zu Hilfssheriffs, die rechtlich und tatsächlich überfordert seien.
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Das Innenministerium sieht beim „Payment Blocking“ dagegen kein datenschutzrechtliches Problem. „Weder erhebt noch verarbeitet das Ministerium im Zusammenhang mit der Aufgabe der Zahlungsunterbindung personenbezogene Daten“, heißt es in einer Antwort auf die Anfrage des Parlamentarischen Geschäftsführers der FDP-Fraktion, Christian Grascha. Ihn wundert diese Antwort nicht. „Das Ministerium verschiebt die datenschutzrechtliche Problematik schließlich in Richtung der Banken“, meint der FDP-Politiker. Er will jetzt sowohl beim Ministerium noch einmal genauer nachfragen als auch mit der Landesdatenschutzbeauftragten Barbara Thiel in Kontakt treten.
Thiel hatte bei dem Expertengespräch mitgeteilt, dass sie vom Ministerium nach der FDP-Anfrage auf Nachfrage weitere Informationen zum „Payment Blocking“ erhalten habe. Diese würden in ihrer Behörde derzeit ausgewertet. Bisher deute allerdings vieles darauf hin, dass es keine datenschutzrechtlichen Probleme gebe, sagte Thiel.
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Widerspruch kam auch von Axel Holthaus, Sprecher der Geschäftsführung von Lotto Niedersachsen. Die Banken könnten bereits heute en détail erkennen, mit was für einer Transaktion sie es zu tun hätten. Schließlich erhöben Institute zum Teil Gebühren, wenn Kunden ihre Kreditkarte für Lotto, Spielcasinos oder Online-Glücksspiele einsetzten. Die Identifizierung ist laut Verbraucherzentralen durch einen speziellen Empfänger-Code bei der jeweiligen Transaktion möglich. Holthaus plädierte für eine „Whitelist“ für Banken, durch die sie erkennen könnten, mit welchen Anbietern Geschäfte gemacht werden dürften. Für Holthaus sind die Maßnahmen des Innenministeriums „gut kalibriert“. Schließlich gehe das Ministerium gegen „schwarze Wetten“ aus dem Ausland vor.
Nicht grundsätzlich gegen „Payment Blocking“
Renatus Zilles, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Verbandes für Telekommunikation und Medien (DVTM) plädierte für ein „Moratorium“ beim Payment Blocking. „Wir sind nicht grundsätzlich gegen das Payment Blocking. Die Maßnahme kann in einem vernünftig regulierten Markt im Sinne einer großen Lösung mit qualitativ lizensierten Anbietern sinnvoll sein. Es wird in Großbritannien bereits in Zusammenarbeit zwischen der Glücksspiel-Aufsicht, den Anbietern und Scotland Yard angewendet, um gegen schwarze Schafe nachhaltig vorzugehen. In Deutschland ist sie derzeit allerdings nicht anwendbar und vollkommen willkürlich.“ Zilles zufolge müssten sich die Länder zunächst einmal auf einen neuen Glücksspiel-Staatsvertrag mit einem vernünftigen gesetzlichen Rahmen einigen um die rechtliche Basis für so ein Instrumentarium zu schaffen. Andernfalls würden Finanzdienstleister und Telekommunikationsunternehmen ohne eine rechtliche Absicherung für solche „Bütteldienste“ herhalten müssen.
Die nächste Chance für eine Einigung beim Glücksspielstaatsvertrag gibt es Mitte Juni. Dann soll das Thema erneut bei der Ministerpräsidentenkonferenz besprochen werden.